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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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stärker als der gegen seinen Brustkorb; er zerquetschte ihm das Hirn geradezu im Schädel und drückte ihm Tränen aus den Augen.
    Das .
    Entsetzlicher Schmerz. Savins Gegenwart blies durch ihn wie der erste eisige Wind des Winters und ließ alles verdorren, was er berührte. Gair tastete nach dem Sang und wollte einen Schild errichten, aber Savin riss ihn entzwei. Die fremde Präsenz in Gairs Kopf wurde noch stärker, erfüllte ihn ganz und presste ihn aus, so wie der Ozean den letzte Atem aus einem Ertrinkenden presste.
    Savin lachte düster, stieß die Hand mitten in Gairs Erinnerungen und zerrte daran. Sie kamen hervor wie Garnstränge, ein Wirrwarr aus hellen Farben: Der Geschmack des Gewürzbrotes zum Frühstück, die atemlose Stille eines Winterwaldes, die Vesperglocke über dem Geprassel des Hagels gegen eine Fensterscheibe. Savin wühlte sich nachlässig hindurch, nahm das auf, was ihn interessierte, warf das andere weg und zog immer mehr hervor, während Gairs Kopf von Bildern geflutet wurde, die sich in bizarren Zusammenstellungen übereinanderschoben. Nichts blieb unberührt, und das tat weh.
    Gair schrie. Jede beiläufige Schändung schmerzte stärker als ein Schwerthieb. Aus jeder alten Wunde, die wieder aufgerissen wurde, quoll neue Qual wie Eiter. Und noch immer ging es weiter. Gairs Gabe des Gestaltwandelns wurde unbarmherzig ausgeforscht. Savin trieb ihn durch die einzelnen Verwandlungen, und das so schnell hintereinander, dass Gair kaum mehr wusste, wie sich sein eigener Körper anfühlte. Dann griff Savin tiefer und erforschte jeden Augenblick, den Gair je mit Aysha verbracht hatte; er verweilte bei jedem Kuss und begutachtete ihn wie eine exotische Kuriosität.
    Du hegst Gefühle für sie? Für einen Krüppel?
    »Bitte …« O Göttin, diese Schmerzen , pochend, hämmernd … Aysha, hilf mir!
    Dann wurde sie beiseitegeschleudert und jeder andere Meister untersucht, dem Gair je begegnet war. Jedes Wort, das sie ausgesprochen hatten, wurde betrachtet und verworfen und jede Unterrichtsstunde nach dem durchsiebt, was Savin suchte – was auch immer das sein mochte. Alderan wurde mit gleicher Sorgfalt, allerdings viel länger behandelt. Gesprächsfetzen hallten in Gairs Kopf wider.
    Was hat er zu dir gesagt? , wollte Savin wissen. Was?
    Er drang noch tiefer, verfolgte Gairs Gedankenstränge zurück zu den Jahren im Mutterhaus und zu Gairs Kindheitssommern zwischen den Klippen und in den Buchten entlang der leahnischen Küste und schließlich zu der unschuldigen Verwunderung eines Kindes über die Farben der Welt. Zurück zum ersten verwirrten Atemzug, zum Schlaf, zur gesegneten Dunkelheit und einem Lied in der Stille über dem Rhythmus eines fernen Pulses.
    Wütend hielt Savin inne. Wo ist der Schlüssel? Du kannst ihn nicht vor mir verbergen, Junge!
    Gair vermochte keine Antwort zu geben. Sein Geist war gelähmt vor Schmerz, und sein eigenes Schluchzen machte ihn taub. Hilflos trieb er inmitten eines Durcheinanders aus zerfetzten Erinnerungen. Savin verkrallte sich immer wieder in ihn, und frische Qualen explodierten im Innern seines Schädels.
    Wo ist er?
    Gair glitt davon, trieb immer weiter weg …
    Du musst es wissen! Sag es mir! SAG ES MIR !
    … die Dunkelheit öffnete sich, zog ihn in sich hinein …
    SAG ES MIR !
    … sogar den Schmerz ließ er hinter sich. Er gehörte nun zu jemand anderem, und die fordernde Stimme verblasste fast bis zur Unhörbarkeit.
    Am Ende weckte ihn die lähmende Kälte; sie drang ihm in die Knochen. Seine Gliedmaßen hatten jedes Gefühl verloren, seine Muskeln waren steif und reagierten nicht mehr, allerdings brannten sie vor Schmerz. Langsam öffnete Gair die Augen.
    Grau. Alles war grau. Gestaltlos, farblos, so weit er sehen konnte. Er versuchte den Kopf zu drehen, damit er mehr von seiner Umgebung erkennen konnte, doch da explodierte der Schmerz in seinem Nacken. Ächzend schloss er die Augen wieder und versuchte stattdessen die Arme zu bewegen. Neuer Schmerz, aber er war erträglicher, und Gair konnte sich bewegen, auch wenn etwas in ihm Widerstand leistete. Mit den Beinen war es genauso. Er schlug erneut die Augen auf und hob die rechte Hand vor das Gesicht. Schnee bedeckte den Ärmel und klumpte zwischen den bläulichen Fingern. Als sich die Benommenheit in seinem Kopf ein wenig legte, begriff er, dass er sich bewegen musste, bevor ihn die Kälte vollständig übermannte. Er biss die Zähne zusammen, rollte sich auf den Bauch und zog die Beine unter den

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