Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
Straßenräuber finden so etwas sehr beeindruckend.«
»Straßenräuber?«
Der alte Mann zuckte die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Aber er folgt uns schon seit einigen Meilen, und deshalb kann es nichts schaden, vorsichtig zu sein. Ich werde Skeff warnen.«
Für den Rest des Tages geschah nichts weiter, und auch die Nacht, in der die Händlerrose an einem Baum festgebunden war, verlief ungestört. Am Morgen nahm Gair seine Übungen wieder auf. Sowohl er als auch Alderan behielten das Ufer diskret im Auge, doch der Schatten erschien nicht wieder.
In der nächsten Nacht setzte ein Sprühregen ein, der jedoch kaum ausreichte, um das Deck nass zu machen, das in der Brise rasch wieder trocknete. Nachdem der Regen abgezogen war, schlief Gair ein. Er wurde vom festen Druck eines Fingers in seinen Rippen geweckt. Er schlug die Augen auf und merkte, dass Alderan ihn von seinem Lager aus ansah; sein Gesicht wurde vom schwachen Schein des dunstumwölkten Mondes erhellt.
Langsam hob der alte Mann den Finger an die Lippen und deutete dann auf das steuerbords gelegene Ufer. Seine Bewegungen waren so träge und unauffällig, dass sie auch von einem Menschen hätten herrühren können, der sich im Schlaf regte.
Gair wandte die Augen unter halb geschlossenen Lidern dem Flussufer neben ihm zu. Vor den Bäumen bewegten sich etliche Männer umher. Wenn er genau hinhörte, bemerkte er das Knirschen des Zaumzeugs über dem Plätschern und Gurgeln des Wassers. Er zählte die undeutlichen Umrisse und streckte vorsichtig acht Finger aus. Alderan nickte ihm kaum merklich zu.
Acht Räuber, vermutlich bewaffnet, gegen zwei Männer und einen Betrunkenen. Und gegen Toby. Der Hund schlief; er hatte sich von hinten an Gairs Beine geschmiegt. Es könnte schlimmer sein. Gair lauschte auf das sägende Schnarchen, das vom Ruderhaus kam, und fragte sich, ob es wohl tatsächlich noch schlimmer sein könnte.
Und dann spürte er es: einen kurzen, summenden Missklang, wie eine Brennnessel auf nackter Haut, und danach setzte sofort das Prickeln der Magie ein. Gair war bereits zusammengezuckt, bevor er etwas dagegen unternehmen konnte. Alderan runzelte die Stirn. Gair hielt die gebrandmarkte Hand hoch und hoffte, dass der alte Mann wusste, was er damit ausdrücken wollte.
Am Flussufer setzten sich die verstohlenen Bewegungen fort, nun vom Geräusch mindestens einer Person begleitet, die vorsichtig ins Wasser watete. Es war hier nicht besonders tief; die Händlerrose war breit, hatte aber wie die meisten Flusskähne keinen wesentlichen Tiefgang, und sie war nur etwa fünfzehn Fuß vom Ufer entfernt vertäut. Gair konzentrierte sich ganz auf die Bewegungen der Räuber und hörte kaum Alderans geflüsterten Befehl, er solle die Augen schließen.
Wenige Sekunden später flammte an der Spitze des Mastes ein Schwefellicht auf und überflutete das Deck, den Fluss und das bewaldete Ufer mit grellgelbem Licht. Bogensehnen sirrten, und plötzlich ragten Pfeile aus dem zusammengerollten Hauptsegel und dem Dach des Steuerhauses. Toby sprang auf die Beine und bellte wütend.
»Hol Skeff!«, rief Alderan. »Ich versuche sie abzulenken!«
Gair huschte das Deck entlang und hielt sich dabei im Schutz der Reling. Er betrat das Steuerhaus, in dem Skeff noch immer schnarchte, eingewickelt in schmutzige Laken. Gair packte den Schiffer bei der Schulter und schüttelte ihn heftig. Benommen kam Skeff zu sich, rülpste Gair seinen fauligen Atem ins Gesicht, und seine Lederflasche klatschte auf die Planken. Erst beim dritten Versuch verstand er, was mit dem Wort »Angriff« gemeint war, kam taumelnd auf die Beine und steckte den Arm unter seine Bettstatt. Als er einen abgenutzten Bogen und einen Köcher mit einfachen Pfeilen hervorzerrte, schickte Gair ein kurzes Gebet gen Himmel. Skeff war so besoffen, dass er niemals gerade hätte schießen können.
»Danke«, sagte Gair und nahm Skeff die Waffe aus den Händen.
Er suchte Schutz hinter dem Steuerhaus und spannte rasch den Bogen. Er bestand aus guter Eibe, war aber schlecht gepflegt und kleiner als die Bögen, an die er gewöhnt war, weshalb Gair ihn auch mit seiner verletzten Hand ohne Schwierigkeiten spannen konnte. Er legte einen Pfeil ein, beugte sich um die Ecke des Steuerhauses und suchte sich das erste Ziel. Das Licht am Mast brannte allmählich nieder, erhellte aber die Gestalten, die vom Ufer herbeiwateten, überraschend deutlich. Sie gaben perfekte Ziele ab.
Gair schluckte, als er den Bogen spannte. Er
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