Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
auch seine Ehre, und er muss große Mühen auf sich nehmen, um sie wiederherzustellen und von seinem Häuptling einen neuen Qatan zu erhalten. Diese Krieger sterben lieber, als dass sie ihr Schwert aufgeben. In dieser Hinsicht sind sie sehr leidenschaftlich.«
»Seid Ihr schon einmal dort gewesen?«
»Ein paar Mal. Es ist ein ödes und trostloses Land, vor allem im Herzen der Wüste, aber es ist gleichzeitig sehr schön, ja, sogar verführerisch – und so gefährlich wie eine Schlange.«
Gair beobachtete, wie die Steinkais von Yeldas Hafen an ihnen vorbeiglitten und die Geschäftigkeit der Stadt fruchtbarem Ackerland Platz machte. Er stellte sich gewellte Dünen, einen gleißenden silberblauen Himmel und Krieger in Gewändern und mit tödlichen Krummschwertern vor. »Ich glaube, ich würde Gimrael eines Tages gern einmal besuchen.«
»Lass dich nicht von den poetischen Beschreibungen narren, mein Junge. Es gibt dort nicht nur Seidenzelte und mandeläugige verschleierte Frauen«, sagte Alderan. »Vielleicht war es früher einmal so, als al-Jofar seine Lieder über die Gärten in der Wildnis geschrieben hat. Heutzutage ist die Wüste voller Eiferer.«
»Ich dachte, die Eadorier werden von Anhängern jeden anderen Glaubens respektiert?«
»Die Gimraeli sind eine Ausnahme. Ihr Kult ist vollkommen davon überzeugt, dass der Sonnengott ihnen die Eadorier zum Anzünden gegeben hat, und sie lieben nichts mehr als ein großes Freudenfeuer.«
»Das ist ja entsetzlich!«
»Allerdings, nicht wahr? Und dabei schienen sie ein so nettes Volk zu sein, als wir sie bekehrt haben. Ich sage dir, es wird wieder einen Wüstenkrieg geben, und zwar schon sehr bald. Kierim ist ein guter Mann und dem Herrscher treu ergeben, aber im Inneren der Wüste gibt es Clans in der Nähe der sardaukischen Grenze, die er kaum im Griff hat, und dort ist der Kult am stärksten.«
Alderan reckte und streckte sich und betrachtete den langsam dahinströmenden Fluss. Wolken aus winzigen braunen Fliegen tanzten über dem Wasser, das immer wieder von kreisförmigen Wellen aufgestört wurde.
»Wie dem auch sei, du hast doch ein Schwert, mit dem du üben musst, nicht wahr? Ich bin es leid, immer nur Speck zu essen.«
Nach einer ganzen Woche an Deck – auch wenn es sich nur um einen alten Lastkahn gehandelt hatte – schwankten die Pflastersteine des Tiefwasserkais von Weißhaven gefährlich unter Gairs Füßen. Wenn er die Augen schloss und ganz still dastand, ließ das Gefühl nach, aber so lief er Gefahr, als Frachtgut auf das nächste Schiff getragen zu werden. Deshalb bahnte er sich vorsichtig einen Weg zwischen den Schauerleuten hindurch, während die Satteltaschen auf seinen Schultern beständig schwerer wurden und er sich einen Ort im Schatten herbeiwünschte, an dem er sich setzen und ausruhen konnte.
Bei allen Heiligen, war das heiß! Die Kleidung klebte an ihm, als hätte er in ihr ein Bad genommen. Wenn Alderan Glück hatte und rasch wieder ein Schiff fand, konnten sie mit der Flut auslaufen, die ungefähr zur Zeit des Abendessens einsetzen würde. Wenn nicht, mussten sie sich einen Platz zum Übernachten suchen, und die dunklen Gewitterwolken, die sich am Horizont über dem Land auftürmten, versprachen, dass es keine ruhige Nacht werden würde.
Am Morgen hatten sie sich bei den nördlich gelegenen Docks von Skeff verabschiedet und einen Fährmann gefunden, der sie durch das Gewirr von Kanälen zu den geschäftigen Tiefwasserkais an der Südseite der Stadt brachte, wo der letzte Teil ihrer Reise zu den Inseln beginnen würde. Weißhaven hatte seinen Namen nicht aufgrund der Farbe der Felsmauern erhalten, von denen es umgeben war und die das gleiche Rotbraun wie die Erde aufwiesen, sondern aufgrund seiner Häuser, denn jedes Gebäude, von der einfachsten Taverne am Wasser bis zum Haus des Gouverneurs, war weiß getüncht und warf den nachmittäglichen Sonnenschein mit schmerzlicher Intensität zurück.
Vor diesem blendenden Hintergrund herrschte ein Aufruhr der Farben. Fröhlich angemalte Fensterläden und Türen bissen sich mit Blumen in allen Farben des Regenbogens, die auf jedem Sims standen. Die Bevölkerung war gleichermaßen grell gekleidet und schien eine elstergleiche Vorliebe für alles Glitzernde und Leuchtende zu haben. Sogar die Kanalboote waren mit Bronze- und Glasstücken geschmückt; es wirkte, als hätte sich der ganze Ort in sein Festtagsgewand geworfen. Es reichte aus, um Gair Kopfschmerzen zu bereiten.
Gair schob die
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