Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
Hausmägde.« Darrin blieb stehen und schürzte nachdenklich die Lippen.
Gair folgte seinem Blick. Ein langbeiniges syfrisches Mädchen stieg gerade die andere Treppe hinunter. In der einen Hand hielt es ein aufgeschlagenes Buch, während die andere über das polierte Geländer glitt. Dicke, maisgelbe Zöpfe hingen ihr bis über die Hüften.
»Darin würde ich mich gern verfangen«, murmelte Darrin. Er sah dem Mädchen nach, bis sie zur Bibliothek abbog und ihren Blicken entschwand, dann schüttelte er den Kopf und warf Gair ein Lächeln zu. »Versprichst du mir, dass du es niemandem verrätst?«
»Du hast mein Ehrenwort.«
»Prima.« Nun nahm Darrin jeweils zwei Stufen auf einmal. »Du spielst nicht zufällig Schach, oder?«
»Ein bisschen.«
»Wie wäre es dann und wann mit einer kleinen Partie? Keiner in unserem Stock will mehr mit mir spielen.«
»Warum nicht? Betrügst du beim Spiel?«
Darrin lachte. »Nein, ich verliere bloß nicht oft.«
Sie bogen um eine Ecke und betraten eine lange Galerie, von der aus man in einen Garten blicken konnte. Blühende Ranken kletterten bis zum dritten Stock an den Säulen hoch, und am hinteren Ende glitzerte ein Fischteich. Darrin blieb vor der ersten schmucklosen Holztür auf der rechten Seite stehen.
»Das hier ist dein Zimmer. Versuche gelassen zu bleiben.«
»Glaub mir, es kann nur besser als im Mutterhaus sein.«
Gair drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür. Der Raum war doppelt so groß wie seine ehemalige Zelle im Trakt der Novizen. Ein Schreibtisch und ein Stuhl standen unter dem einen Fenster und Bett und Waschtisch unter dem anderen. Der blaue Wasserkrug war angestoßen und passte nicht zu der grünen Schüssel, aber beides war sauber, und die Seife roch angenehm nach Kräutern. Versuchsweise klopfte er auf die Matratze. Sie war weicher als die eines Novizen.
»Es ist größer, als ich erwartet hatte«, sagte er und legte sein Gepäck auf das Bett. »Sind alle Schülerzimmer so geräumig?«
»In diesem Stockwerk ja. Eigentlich sind es die Räume der Adepten, aber im Augenblick haben wir mehr Schüler als Adepten, und daher sind Mitglieder beider Gruppen entlang dieser Galerie untergebracht. Mein Zimmer liegt gleich rechts neben deinem.«
An der vierten Wand stand ein großer Schrank, der bis auf ein paar zusätzliche Decken und einen kleinen Zedernblock gegen die Motten leer war. Gair schloss die Schranktür wieder, drehte sich um und bemerkte, wie Darrin sein Schwert beäugte.
»Darf ich?«, fragte er und deutete auf die Waffe.
»Du bist herzlich dazu eingeladen.«
Darrin zog das Schwert und kämpfte dabei ein wenig mit der Scheide.
»Hast du noch nie ein Schwert in der Hand gehalten?«
»Nichts Größeres als ein Schnitzmesser. Wie um alles in der Welt kann man so etwas schwingen?«
»Du musst die Spitze hochhalten. Dann geht es leichter. Mit ein wenig Übung gewöhnt man sich schnell an das Gewicht.«
Darrin tat, was Gair ihm empfohlen hatte. Vorsichtig schwang er das Schwert und beobachtete, wie das Licht an der Klinge herunterlief. »Das ist ganz schön beängstigend. Hast du es schon einmal benutzt?«
»In den letzten zehn Jahren habe ich kaum etwas anderes getan.«
»Ich meine richtig benutzt. Hast du schon einmal gekämpft, ohne dass es sich um eine Übung gehandelt hätte?«
»Es hat noch nie Blut gesehen, wenn es das ist, was du meinst.« Ich habe einem Mann den Arm gebrochen, aber dabei kein Blut vergossen . Gair nahm das Schwert entgegen und steckte es zurück in die Scheide.
»Und wie alt warst du, als du es bekommen hast? Zehn?«
»Elf.«
»Es sieht alt aus. Hast du es geerbt?«
»In gewisser Weise.« Sein Pflegevater war für ihn inzwischen so gut wie tot. »Warum holen wir uns nicht etwas zu essen? Mein Magen glaubt schon, dass meine Kehle zugenäht ist.«
Auf dem Weg zum Refektorium zeigte Darrin ihm weitere nützliche Orte wie den Übungshof, das Badehaus, die Arbeitszimmer der Meister und die Bibliothek. Gair freute sich bereits darauf, all das selbst zu erforschen. Als Kind hatte er Bücher geliebt und seine Lieblingstexte immer wieder gelesen, bis er sie auswendig kannte und kaum mehr die abgenutzten Seiten umdrehen musste, um zu erfahren, wie Prinz Corum die Seeschlange besiegte, indem er ihr Rätsel löste, oder wie Jaichin Dreifeder das Elfenmädchen vor der Grube rettete. Von allen Dingen, die er bei seiner Abreise nach Dremen hatte zurücklassen müssen, hatte er seine Bücher am meisten vermisst.
Das
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