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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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machen drei Sorten«, sagte sie. »Spinat-Ricotta, Schinken-Emmentaler und Pilz-Trüffel. Klingt das gut?«
    »Ja«, sagte er.

     
    Morten lag noch lange wach, nachdem Nina eingeschlafen war. Sie wachte davon auf, dass er sich neben ihr auf die Matratze kniete. Sie streckte den Arm aus und zog ihn über sich. Er ließ sich fallen. Küsste sie heftig und ungestüm, schob die Finger sanft zwischen ihre Lippen, fuhr mit ihnen über ihren Hals, ihre Brüste, ihre Arme und Handgelenke. Seine Finger verschränkten sich mit ihren, als er sie mit seinem ganzen Gewicht auf die Matratze drückte.
    Seine Augen waren im Dunkeln kaum zu erkennen, aber Nina sah das Funkeln im schwachen Schein der Straßenlaterne vor dem Fenster, und sie spürte einen Schleier aus Sorge oder Melancholie zwischen ihnen. Vielleicht war der schon immer da gewesen, aber es war ihr vorher nicht aufgefallen.
    Nina drehte den Kopf zur Seite und schaute auf die blinkende Zahl auf dem Display des Radioweckers.
    »Nein«, widersprach Morten heiser. »Nicht jetzt.«
    Er streckte einen Arm aus und legte den Wecker so hin, dass die Zahlen nicht mehr zu sehen waren. Dann legte er die Hände um ihren Kopf und drehte ihr Gesicht zu sich, während er langsam und bestimmt ihr eines Bein zur Seite schob.
    Sie gab nach. Sie ließ sich fallen, in ihn, in das Reich der Gefühle, in die Wärme, wo die Zeit keine Bedeutung hatte.
     
    Sie war die ganze Strecke bis nach Hause gerannt. Konnte die Panik nicht unterdrücken, obgleich sie wusste, dass sie hysterisch war. Natürlich würde er am Küchentisch sitzen wie immer,
vor sich ein Brot mit Ei und ein Pils, während der Kaffee durch die Maschine lief. Manchmal ging ihr Vater nach Hause, obwohl der Schultag noch nicht zu Ende war. Das kam nicht oft vor, höchstens drei-, viermal im Jahr. Und in der Regel war er schon am nächsten Tag wieder in der Schule. In der Regel. Aber manchmal vergingen auch drei oder vier Wochen, und das war »nicht so gut«. So formulierte es ihre Mutter, wenn sie gefragt wurde. »Nein, Finn geht es momentan nicht so gut.« Dann hakten die Leute nicht weiter nach, jedenfalls die, die ihn kannten.
     
    Eierbrot mit Kresse, dachte sie. Er sitzt am Küchentisch und hat sich gerade einen Büschel Kresse von dem unförmigen Kresseigel abgeschnitten, den Martin im Kindergarten gebastelt hat. Und er trinkt ein Pils, weil er seine Tabletten genommen hat.
    Sie schaute auf ihre Armbanduhr. 20 nach elf. Wenn sie ihn in der Küche sitzen sah, brauchte sie nicht einmal reinzugehen. Ein Blick durchs Fenster und dann schnell zurück zur Schule, damit sie nicht zu spät zur nächsten Stunde kam.
     
    Aber er saß nicht am Küchentisch, so dass sie ins Haus gehen musste.
    Sein dunkelgrüner Lodenmantel hing am Haken in der Diele. Seine Schuhe standen ordentlich nebeneinander im Schuhregal, daneben die Schultasche. Sie öffnete vorsichtig die Tür zum Schlafzimmer, aber da war er auch nicht. Da sah sie, dass die Kellertür angelehnt war. Und sie hörte das Geräusch.
     
    Sie kam zu spät zum Dänischunterricht und zum Turnen und bekam Ärger. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
    »Ich musste mir was anderes anziehen«, sagte sie schließlich.

    Erst später begriff einer von ihnen, wieso, und dann wollten sie wissen, warum sie überhaupt wieder in die Schule gekommen war.
    Besonders der Schulpsychologe stellte Fragen. Fragen, die mit »Was hast du empfunden, als …« anfingen oder »Was hast du gedacht, als …« und die sie nicht beantworten konnte. Sie konnte sich nicht erinnern, irgendetwas gefühlt oder gedacht oder getan zu haben. Es war nicht so, dass sie sich nicht daran erinnerte, im Keller gewesen zu sein. Sie erinnerte sich auch an alles andere: ihr Vater in der Badewanne, angezogen, das Wasser ganz rot. Sie erinnerte sich, dass sein Mund sich bewegte, als er sie sah, aber es war wie ein Film ohne Ton, sie hörte nicht, was er sagte. Sie sah nur das Rote, das an seinen Armen herunterlief. Und irgendwo dort war die Zeit abhandengekommen, glaubte sie, aber sie wusste nicht, wie. Sie erinnerte sich nur, dass sie zu Frau Halvorsen rübergegangen war, um ihr zu sagen, dass sie einen Krankenwagen rufen sollte. Was sie nicht begreifen konnte, was einfach nicht passen wollte, war, dass plötzlich mehr als eine Stunde vergangen war. Dass es plötzlich halb eins war und sie sich umgezogen hatte. Ich bin sofort rübergegangen, sagte sie zu sich selbst und zu allen Erwachsenen, die danach fragten. Ich bin

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