Die Lilie im Tal (German Edition)
Schwierigkeiten meiner Laufbahn, meinen feindlichen oder freundschaftlichen Beziehungen zu andern Männern. Sie war verschwenderisch, ohne freigebig zu sein, und schied Liebe und Interessen wirklich zu sehr. Henriette, das weiß ich, ohne es erfahren zu haben, hätte für mich aufzubringen gewußt, wie sie für sich selbst nicht verlangte. In einer Katastrophe, wie sie oft die höchstgestellten und reichsten Männer ereilt – die Geschichte beweist es! –, hätte ich mich um Rat an Henriette gewandt; aber ich hätte mich lieber ins Gefängnis schleppen lassen, als Lady Dudley ein Wort zu sagen.
Soweit habe ich nun vom Gegensatz in den Gefühlen gesprochen; er zeigte sich aber auch in den Dingen des äußern Lebens. In Frankreich ist der Luxus eine Wesensäußerung; in ihm spiegeln sich persönliches Denken wider und selbständiges, künstlerisches Empfinden; er charakterisiert den Besitzer. Im Verkehr zweier Liebenden gibt er der kleinsten Einzelheit Wert, weil er ein Grundgedanke des geliebten Wesens ist. Aber der englische Luxus, dessen Überfeinerungen mich erst geblendet hatten, ist unpersönlich. Lady Dudley tat nichts von ihrem Wesen hinzu, die Diener machten ihn, er war gekauft. Die tausend zarten Aufmerksamkeiten, die in Clochegourde so angenehm berührten, waren in Arabellas Augen Sache der Dienerschaft; jeder Diener hatte seine Pflicht und sein Spezialgebiet. Ihrem Hausmeister lag es ob, die besten Lakaien zu wählen, genau als ob es sich um Pferde gehandelt hätte. Diese Frau trat ihren Leuten nie menschlich näher; der Tod des besten Dieners hätte sie nicht gerührt, denn um Geld konnte sie sich ja wieder einen gleich tüchtigen verschaffen. Was ihren Nächsten betraf, so habe ich nie in ihren Augen eine Träne des Mitleids für fremdes Unglück gesehen; ihre Selbstsucht war übrigens so naiv, daß man darüber lachen mußte. Die Purpurgewänder der großen Dame verhüllten ein bronzehartes Wesen. Allerdings, der reizenden Tänzerin, die sich abends auf dem Teppich rollte und all die klingenden Glöckchen ihres Liebestaumels schüttelte, der wurde es nicht schwer, einen jungen Mann mit der empfindungslosen, harten Engländerin auszusöhnen. Auch wurde mir nur ganz allmählich klar, daß ich meine Liebe auf den Stein gesät, wo sie keine Frucht tragen konnte. Madame de Mortsauf hatte dieses Wesen bei ihrer kurzen Begegnung sofort durchschaut; ich erinnerte mich ihrer prophetischen Worte. Henriette behielt in allem recht. Arabellas Liebe wurde mir unerträglich. Ich habe seitdem bemerkt, daß fast alle Frauen, die gut reiten, wenig Gemüt haben. Es fehlt ihnen, wie den Amazonen, die Brust; ihr Herz ist an irgendeiner Stelle verhärtet.
Ich begann Arabellas Liebe als drückendes Joch zu empfinden. Ich war körperlich und seelisch ermattet. Ich sah ein, wieviel Heiligkeit ein echtes Gefühl erst der Liebe verleiht; die Erinnerung an Clochegourde verfolgte mich; trotz der Entfernung atmete ich den Duft seiner Rosen, fühlte die wohlige Wärme seiner Terrasse, hörte das Schlagen der Nachtigallen, und im schrecklichen Augenblick, wo ich unter mir das steinige Bett des verrauschenden Gießbaches erblickte, da ward mir ein Schlag versetzt, der jetzt noch in meinem Leben widerhallt, denn zu jeder Stunde findet er ein Echo in mir. Ich arbeitete im Kabinett des Königs, der um vier Uhr ausgehen sollte; der Duc de Lenoncourt hatte den Hofdienst. Als er ihn eintreten sah, erkundigte sich der König nach dem Befinden der Comtesse. Ich warf jäh den Kopf zurück. Der König nahm Anstoß an dieser Bewegung und warf mir einen der Blicke zu, die gewöhnlich scharfe Verweise einleiteten, wie er sie so gut zu erteilen wußte.
»Majestät, meine Tochter liegt im Sterben«, antwortete der Duc. »Wollen Euer Majestät mir gütigst einen Urlaub gewähren?« sagte ich mit Tränen in der Stimme, ohne seines drohenden Zornes zu achten. »Eilen Sie, Mylord!« antwortete er und lächelte über die feinspöttische Spitze, die er jedem seiner Worte gab; so ersparte er mir, weil er geistreich sein konnte, einen Verweis.
Der Duc, der mehr Höfling als Vater war, bat nicht um Urlaub; er stieg in die königliche Karosse und begleitete den Herrscher. Ich brach auf, ohne Abschied von Lady Dudley zu nehmen: sie war zum Glück ausgegangen, und ich schrieb ihr, daß ich im Dienste des Königs verreist sei. An der Croix-de- Berny begegnete ich Seiner Majestät, die von Verrières zurückkam. Während der König einen Strauß, der ihm
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