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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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bewirtschaften, den Pferdewechsel überwachen, und sein Landgut bearbeiten, indem er es mit dem Dung seiner Ställe düngte: Das zweite Gehöft, La Baude, das in nächster Nähe von Clochegourde lag, wollte einer ihrer vier Pächter, ein ehrlicher, gescheiter, rühriger Mann, der die Vorteile der neuen Methode einsah, in Pacht nehmen. La Cassine und La Rhétorière aber waren die besten Güter der Gegend. Sobald die Gutsgebäude errichtet wären und der Landbetrieb in Schwung sei, brauche man sie nur in Tours anzubieten. So würde Clochegourde in zwei Jahren achtzigtausend Francs Rente abwerfen. La Gravelotte, das Gut in der Maine, das Monsieur de Mortsauf zurückerhalten hatte, war gerade für siebentausend Francs auf neun Jahre verpachtet worden. Seine Pension als Feldmarschall belief sich auf viertausend Francs. Diese Einnahmen waren noch kein Vermögen, aber sie sicherten doch einen großen Wohlstand. Später würden es ihr andere Reformen vielleicht ermöglichen, eines Tages nach Paris zu ziehen, um dort die Erziehung Jacques' zu überwachen; vielleicht in zwei Jahren, wenn die Gesundheit des Stammhalters gefestigt wäre.
    Mit welchem Beben sie das Wort ›Paris‹ aussprach! Ich kannte ihre Pläne von Grund aus. Sie wollte sich sowenig wie möglich von ihrem Freunde trennen. Bei diesen Worten erglühte ich. »Sie kennen mich nicht«, sagte ich ihr. Ohne es ihr verraten zu wollen, hätte ich beschlossen, mein Studium, Tag und Nacht arbeitend, schnell zu Ende zu führen, um Jacques' Erzieher zu werden; denn ich könnte den Gedanken nicht ertragen, daß ein junger Mann in ihrem Hause wohnen würde.
    Bei diesen Worten wurde sie ernst. »Nein, Felix«, sagte sie, »daraus wird nicht mehr als aus Ihrer Priesterschaft. Sie haben durch ein einziges Wort das Herz der Mutter bis in seine Tiefen gerührt, aber die Frau liebt Sie zu aufrichtig, um zu dulden, daß Sie das Opfer Ihres Übereifers werden. Eine Einbuße an Ansehen, die sich nicht wieder gutmachen ließe, wäre der Lohn dieser Opferwilligkeit, und ich könnte nichts daran ändern. O nein, ich will Ihnen nicht verhängnisvoll sein! Sie, Vicomte de Vandenesse – Hauslehrer? Sie, dessen edler Wahlspruch heißt: ›Nie dich verkaufen!‹ – und wären Sie ein Richelieu, Sie hätten sich auf alle Zeiten den Weg verlegt! Sie würden Ihrer Familie den größten Kummer bereiten. Mein Freund, Sie wissen nicht, wieviel Nichtachtung eine Frau wie meine Mutter in einen Gönnerblick legen kann, wieviel Demütigung in ein Wort, wieviel Verachtung in einen Gruß!« – »Und wenn Sie mich lieben, was liegt mir an der Welt?«
    Sie tat, als hätte sie die Worte nicht gehört, und fuhr dann fort: »Mein Vater ist sehr gütig und gewiß geneigt, mir alles zu gewähren, worum ich ihn bitte; aber er könnte Ihnen nicht verzeihen, sich schlecht mit der großen Welt gestellt zu haben, und würde Ihnen seinen Schutz verweigern. Ich möchte nicht, daß Sie der Erzieher des Dauphins wären! Nehmen Sie die Gesellschaft, wie sie ist! Machen Sie keinen Fehltritt im Leben! Lieber Freund, diese wahnwitzige Eingebung der ...« – »Der Liebe!« sagte ich leise. »Nein, der Barmherzigkeit!« sagte sie mit verhaltenen Tränen; »dieser törichte Einfall wirft ein Licht auf Ihr Wesen: Ihre Güte wird Ihnen verhängnisvoll werden. Ich beanspruche schon jetzt das Recht, Sie in gewissen Dingen zu unterrichten. Überlassen Sie meinen Frauenaugen die Sorge, manchmal für Sie zu sehen. Ja, weither, von Clochegourde aus, will ich stumm und beglückt an Ihren Erfolgen teilnehmen. Wegen des Hauslehrers seien Sie unbesorgt, wir werden schon einen guten alten Abbé, irgendeinen hochgelahrten Jesuitenpater finden, und mein Vater wird gern eine Summe für die Erziehung des Knaben opfern, der seinen Namen tragen soll. Jacques ist mein Stolz. Er ist zwar schon elf Jahre alt«, sagte sie nach einer Pause, »aber es geht ihm wie Ihnen: als ich Sie sah, hielt ich Sie für dreizehnjährig.«
    Wir waren in der Cassine angekommen, wo Jacques, Madeleine und ich hinter ihr her gingen, wie die Jungen hinter ihrer Mutter. Aber wir waren ihr im Wege, und ich ließ sie eine Weile allein, damit sie in den Obstgarten ginge, wo der ältere Martineau, der Feldhüter, sich mit dem Jüngern, dem Verwalter, besprach, ob die Bäume gefällt werden müßten oder nicht. Sie verhandelten darüber, als ob es um ihren eigenen Besitz ginge. Da sah ich, wie beliebt die Comtesse war. Ich sprach das einem armen Tagelöhner gegenüber

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