Die Lilie im Tal (German Edition)
aus, der, den Fuß auf den Spaten gestemmt, den Ellbogen auf den Griff gestützt, den beiden Doktoren der Pomologie lauschte.
»Ja, ja, Monsieur«, antwortete er, »es ist eine gute Frau, und nicht hoffärtig wie diese. Affenweiber von Azay, die einen lieber wie einen Hund verrecken ließen, als daß sie einem einen Sou mehr für den gegrabenen Klafter gäben. An dem Tage, wo diese Frau das Land verläßt, wird die Heilige Jungfrau weinen, und wir auch. Sie weiß, was sie verlangen darf; aber sie kennt unsere Not und nimmt Rücksicht darauf!«
Mit wieviel Freude ich diesem Manne all mein Geld gab!
Wenige Tage darauf kam ein Pony für Jacques an, den sein Vater, ein vortrefflicher Reiter, allmählich an die Strapazen des Reitens gewöhnen wollte. Das Kind bekam eine hübsche Reitausrüstung, die vom Erlös der Nußbäume gekauft worden war. Der Morgen, wo es bei seinem Vater die erste Reitstunde nahm, während Madeleine erstaunt auf dem Rasen nebenherlief und schrie, dieser Morgen war für die Comtesse das erste große Fest ihres Mutterseins. Jacques trug einen von seiner Mutter gestickten kleinen Kragen, ein Jäckchen aus himmelblauem Tuch, das durch einen lackierten Ledergürtel gehalten wurde, eine faltige weiße Hose und eine schottische Mütze, unter der das aschblonde Haar in dichten Locken hervorquoll: er sah entzückend aus! Auch eilten alle Leute aus dem Hause herbei, um an dem Familienglück teilzunehmen. Der junge Stammhalter lächelte im Vorüberreiten seiner Mutter zu und saß stramm und furchtlos auf seinem Tier. Diese erste Mannestat eines Kindes, dem der Tod so oft gedroht hatte, die Hoffnung auf eine schöne Zukunft, die durch diesen Ritt, bei dem das Kind so schön, so blühend und frisch aussah, gesichert schien: welch wunderbarer Lohn für die Mutter! Die Freude des Vaters, der selbst wieder jung wurde und zum ersten Mal seit langer Zeit lächelte; das Glück, das sich in den Zügen aller Leute malte; der Ausruf eines alten Vorreiters von Lenoncourt, der von Tours zurückkehrte und der, als er das Kind so fest die Zügel halten sah, ihm zurief: »Bravo, Monsieur le Vicomte!« – das war des Guten zuviel, Madame de Mortsauf brach in Tränen aus. Sie, die so gefaßt im Leiden war, fand nicht Kraft genug, die Freude zu ertragen, als sie voll Bewunderung ihr Kind auf dem Sande hin und her reiten sah, wo sie es so oft im voraus beweint hatte, wenn sie es in der Sonne spazierenführte. In diesem Augenblick stützte sie sich ohne Gewissensbisse auf meinen Arm und sagte nur: »Es ist mir, als hätte ich nie Trauriges erlebt. Verlassen Sie uns heute nicht!«
Nach beendeter Reitstunde warf sich Jacques in die Arme seiner Mutter, die ihn auffing, ihn an sich preßte mit einer Gewalt, wie sie das Übermaß der Seligkeit verleiht, und des Küssens und der Liebkosungen war kein Ende. Ich ging mit Madeleine zwei wundervolle Sträuße binden, um damit den Tisch zu Ehren des jungen Reiters zu schmücken. Als wir in den Salon zurückkehrten, sagte die Comtesse zu mir: »Der 15. Oktober wird gewiß ein großer Tag! Jacques hat seine erste Reitstunde genommen, und ich habe soeben den letzten Stich an meiner Stickerei getan.« – »Schön, Blanche«, sagte der Comte lachend, »ich will Sie dafür belohnen.«
Er bot ihr den Arm und führte sie in den ersten Hof, wo sie eine Kalesche erblickte, ein Geschenk ihres Vaters, wozu der Comte zwei englische Pferde gekauft hatte, die zugleich mit denen des Duc de Lenoncourt angekommen waren. Während der Reitstunde hatte der alte Vorreiter alles im Hofe fertiggemacht. Wir zogen den Wagen heraus und besichtigten die Anlage der Fahrstraße, die in gerader Linie von Clochegourde nach der Landstraße von Chinon führen sollte und die dank den neuen Käufen durch des Comte Besitz gelegt werden konnte. Auf dem Heimweg sagte die Comtesse mit einem wehmütigen Ausdruck: »Ich bin zu glücklich! Für mich ist das Glück wie eine Krankheit, es erschöpft mich, und ich fürchte, es könnte verwehen wie ein Traum.«
Ich liebte zu leidenschaftlich, um nicht eifersüchtig zu sein, und ich, ich konnte ihr nichts schenken. In meiner Verzweiflung suchte ich eine Möglichkeit, für sie zu sterben. Sie fragte mich, was für Gedanken meine Blicke verschleierten; ich sagte sie ihr. Sie war davon mehr gerührt als von allen Geschenken. Sie tröstete mich, indem sie mich auf die Terrasse führte und mir ins Ohr flüsterte: »Lieben Sie mich, wie mich meine Tante liebte! Bedeutet das nicht
Weitere Kostenlose Bücher