Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lilie von Florenz

Die Lilie von Florenz

Titel: Die Lilie von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Gordon
Vom Netzwerk:
war es drinnen angenehm warm.
    Luigi setzte sich lässig auf die Tischkante.
    â€žIch will ja nichts sagen, Schwesterchen, aber: du verkriechst dich!“
    Allegra blickte von dem Brief an den sächsischen Fürsten auf, an dem sie seit dem frühen Morgen herumfeilte. Wie sollte sie dem Fürsten klarmachen, dass Luigi kein Interesse hatte, im nächsten Winter nach Dresden zu kommen, ohne es wie eine Beleidigung klingen zu lassen? Sie konnte ja nicht sagen, dass Luigi keine Lust hatte, die Alpen zu überqueren und lieber im wärmeren Süden bleiben wollte. Obwohl das römische Wetter dieser Überlegung gerade zuwiderlief.
    â€žIch mache meine Arbeit“, sagte sie betont ruhig. „Was ist daran verkehrt?“
    Luigi lachte. Er versetzte Allegra von der Seite einen Nasenstüber, und sie fuhr erschrocken zurück. Das Tintenfass kippte um, und ein Schwall pechschwarzer Tinte ergoss sich auf das feine Papier, auf dem Allegra gerade mit der Reinschrift des Briefs an den Sachsenfürsten begonnen hatte.
    â€žLuigi, verdammt!“ Sie sprang wütend auf, damit die Tinte nicht auch auf ihre Hose floss und diese verdarb. „Kannst du nicht aufpassen?“
    Hilflos suchend blickte sie sich um. Sogleich war Luigi mit seinem Seidentaschentuch zur Stelle, das er ohne Umschweife auf den Tintensee legte, der das zarte Weiß sogleich schwärzte. „Keine Sorge“, sagte er beruhigend, als sie angesichts dieser Verschwendung die Stirn runzelte. Denn das Taschentuch war verdorben. „Von diesen Taschentüchern habe ich Dutzende.“
    Es waren Tüchlein, die seine Verehrerinnen jeden Abend auf die Bühne warfen. Luigi trug stets eines der Taschentücher bei sich und hatte sich angewöhnt, mit verzücktem Lächeln an den Tüchern zu schnuppern. Meist waren sie mit den Lieblingsparfüms der Damen benetzt und Luigi umgab immer ein frischer Duft nach Rosen, Veilchen oder Zitrone.
    Nachdem er die gröbsten Tintenflecke beseitigt hatte, warf Luigi das Taschentuch achtlos in den Kamin, wo es hell aufloderte. Dann wandte er sich wieder an Allegra. Seine Hände wischte er mit einem neuen Taschentuch ab.
    Sie sah ihren Bruder zum ersten Mal seit Wochen wirklich bewusst an. Sie hatte sich nicht nur hinter ihrer Arbeit versteckt, sondern hatte auch aufgehört, die Welt um sich herum wahrzunehmen.
    Luigi hatte sich verändert. Sein Verhalten, das zuvor immer von einer unterschwelligen Unsicherheit geprägt gewesen war, als er noch nicht wusste, ob er das Zeug zum Opernsänger hatte, war einem Selbstbewusstsein gewichen, das beinahe übergroß an ihm wirkte. Als müsste er noch hineinwachsen. Doch er wuchs in diese neue Aufgabe und in seine neu erlangte Größe hinein, das spürte Allegra. Und was war mit ihr? War sie im Gegenzug geschrumpft und machte sich selbst klein?
    â€žIch find’s übrigens schön, dass du die Arbeit machst“, kam Luigi zum Thema zurück. „Mir gefällt nur nicht, wie du dich vergräbst, Schwesterchen.“
    Allegra antwortete nicht.
    â€žEs ist seinetwegen, nicht wahr? Weil er immer noch in der Stadt ist und die Junggesellinnen ihn umschwärmen wie die Motten das Licht.“
    â€žWas weißt du schon …“ Sie sank auf den Stuhl und fuhr mit dem Zeigefinger durch die letzten Spuren der Tinte und rieb sie in die Rillen der alten Schreibtischplatte.
    â€žIch weiß eine Menge“, sagte er sanft. „Ich weiß zum Beispiel, dass meine Schwester einen Mann liebt, von dem man sagt, seit dem Tod seiner Verlobten sei er nicht mehr derselbe.“
    Sie senkte den Blick. Konzentrierte sich aufs Atmen, weil das Atmen schon schwer genug war in diesem Moment.
    â€žDas mag alles sein“, brachte sie schließlich hervor. „Aber es geht nicht.“
    Es war ja nicht nur das Geld … Wenn sie an die Nacht dachte, in der ihr Vater gestorben war, brannte sich die Schuld wie ein verheerendes Feuer in ihren Bauch. Nein, sie hatte das Andenken ihres Vaters in seiner Todesstunde bereits beschmutzt, und sie verdiente es einfach nicht, glücklich zu sein. Sie hatte verstanden, dass dieses Leben ihres war. Dies war ihre Strafe: sie saß in einer kleinen, zugigen Kammer und schrieb Briefe, die an die Fürstenhöfe Europas gingen, war Sekretär für ihren Bruder, dem ein Leben in der Mitte der Gesellschaft vergönnt war. Zwar rümpfte man die Nase, wenn man von Luigi

Weitere Kostenlose Bücher