Die Lilie von Florenz
langweilte ihn. Er war froh, als der Tanz vorbei war. Doch als er jetzt nach Allegra Ausschau hielt, wurde er enttäuscht. Sie war verschwunden.
âIch halte das nicht mehr ausâ, hatte Allegra ihrem Bruder zugeflüstert. âSiehst du â jetzt tanzt er schon wieder mit der Contessa della Visconti!â
Luigi hatte versucht, sie zu trösten. âEr kommt gleich bestimmt wieder zu dir herüber.â
Aber darauf wollte Allegra nicht warten.
Sie verlieà den Ballsaal. DrauÃen war es angenehm kühl. Sie klappte den Fächer auf und wedelte sich frische Luft zu. Nach der stickigen, süÃen Luft im Ballsaal war das eine Wohltat.
Die meisten Gäste waren inzwischen ins Haus zurückgekehrt. Diener huschten durch den Garten und steckten Fackeln in die Halterungen am Boden. Als die ersten Flammen entzündet wurden, wanderte Allegra den breiten Kiesweg hinab. Am anderen Ende des Gartens gab es eine Steinbank, die unter einem blühenden Rosenbogen stand. Dorthin zog es sie. Sie wollte das Fest aus sicherer Entfernung beobachten.
Plötzlich hörte sie hinter sich eilige Schritte, die sich näherten.
âIhr wollt lieber allein sein?â
Sie wusste, dass er hinter ihr war, ohne sich umdrehen zu müssen. Allegra blieb stehen. Die geharkten Wege des Gartens kreuzten sich hier, ein kleiner Brunnen plätscherte leise.
âIch habe gedacht, Ihr wart mit anderen Dingen beschäftigtâ, erwiderte sie kühl. Wenn er meinte, mit ihr leichtes Spiel zu haben â wenn er wirklich glaubte, sie wäre das brave Lamm, das sich zur Schlachtbank führen lieÃe ⦠nun, dann sollte er sich das mit der Hochzeit vielleicht noch mal überlegen.
âIhr seid doch nicht eifersüchtig auf meine Mätresse?â Er lachte leise und trat zu ihr. âWenn Ihr gestattet ⦠ich würde Euch gerne ein Stück begleiten.â
Allegra nickte knapp. Sie legte die Hand auf seinen Arm und setzte ihren Weg schweigend fort. Mit einer raschen Handbewegung klappte sie den Fächer auf und fächelte sich frische Luft zu. Sie spürte, wie Conte Matteo sie von der Seite musterte.
âAlso? Seid Ihr eifersüchtig?â
âIhr seid erstaunlich neugierig, Conte.â Ach, wie gerne hätte sie ihm in diesem Moment an den Kopf geworfen, was sie wirklich dachte. Ja, sie war eifersüchtig, auf diese Cristina und seine zahllosen anderen Mätressen, die er sich vermutlich zum Zeitvertreib hielt und die in ihrem Haus ein und aus gehen würden, so schamlos wie sich die Contessa schon hier verhielt, im Haus ihres Vaters â¦
Er lachte wieder. Allegra fuhr zu ihm herum. Ehe sie sichâs versah, hatte sie ihm den zusammengeklappten Fächer ins Gesicht geschlagen. Das Lachen war wie fortgewischt aus seinem Gesicht. Er griff nach ihrer erhobenen Hand, die noch immer den Fächer hielt. Der Fächer zitterte, dann lieà sie ihn los. Leise klappernd fiel er zu Boden.
âDas ⦠das tut mir leidâ, stotterte sie. Verzweifelt versuchte sie, den festen Griff seiner Hand zu lösen, aber er war stärker. Schlimmer noch: ihm gelang es, ihr anderes Handgelenk zu packen. Allegra wollte sich losmachen, wollte schreien â und dann sah sie in seine Augen.
Hunger las sie darin. Leidenschaft. Einen Moment versuchte sie, sich zu wehren, doch dann, als er ihre linke Hand loslieà und den Arm um ihre schlanke Taille legte, um sie an sich zu ziehen, war sie schon längst verloren. Dunkel und unergründlich waren seine Augen. Sie spürte, wie sein Atem sich beschleunigte. Wurde an seine breite Brust gepresst, während seine andere Hand ihren Arm auf den Rücken drehte â nicht schmerzhaft, beinahe zärtlich. So hielt er sie einfach fest.
Sie konnte den Blick nicht von ihm lassen. Konnte nicht hinabsehen, konnte den Kopf nicht abwenden. Er verzauberte sie. Es war ein winziger Moment, in dem sie zögerte, doch dann hob Allegra die freie Linke und legte sie auf seine Wange.
âEs tut mir leidâ, flüsterte sie.
Ich will ihn nicht mit anderen Frauen teilen, dachte sie plötzlich. Der Gedanke war absurd. Dennoch stimmte es: Sie wollte nicht, dass er sich mit anderen Frauen vergnügte, wie er es mit Cristina della Visconti getan hatte.
Dann küsste er sie. Zunächst waren seine Lippen, die sich auf ihre legten, nur wie ein Schmetterlingsflügelschlag, doch schnell wurde er fordernder. Allegra, die das sanfte
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