Die Lilie von Florenz
auf und verlieà auf Zehenspitzen das Krankenzimmer.
Die Worte ihres Vaters hallten in ihr nach. Verzeih ihm ⦠Er liebt dich â¦
Konnte es Zufall sein, dass ihr Vater in dieser Nacht so redete, in der Matteo auf ihrer Schwelle stand und sie um Verzeihung bat?
Sie lenkte ihre Schritte zum Gästezimmer und lauschte an der Tür. Drinnen war es still. Ihre Hand legte sich auf die Türklinke.
Wenn sie jetzt die Tür öffnete, wenn sie das Zimmer betrat, in dem Matteo schlief, dann war es etwas Endgültiges, das spürte sie. Dann entschied sie sich für alle Zeit für ihn, und dann von ihm enttäuscht zu werden, ertrug sie nicht. Ebenso wenig, wenn er sie wieder allein lieÃ.
Verzeih ihm ⦠Er liebt dich â¦
Konnte das stimmen? Doch als ihre Hand die Klinke herunterdrückte, hatte sie ihre Entscheidung bereits getroffen. Ja, sie liebte Matteo. Nur ihre Liebe lieà sie den Mut finden, mitten in der Nacht zu ihm zu gehen.
Das Zimmer war in das Licht der schmalen Mondsichel getaucht, die langsam dem Horizont zustrebte. Es war schon früh ⦠in wenigen Stunden würde die Sonne aufgehen.
Allegra verharrte an der Tür, bis ihre Augen sich an das Dunkel und die Umrisse der Möbel gewöhnt hatten. Dann trat sie ein, bewegte sich leise. Die Tür schloss sie sorgfältig, ehe sie sich umdrehte und lauschte.
âMatteo?â, flüsterte sie in die Finsternis. Keine Antwort.
âMatteo, bist du da?â
Sie trat an den Kamin, schürte das Feuer in der erkalteten Glut, legte behutsam zwei Scheite nach, um die neuen Flammen nicht zu ersticken. Dann entzündete sie einen Kienspan und zündete eine Kerze an, die auf dem Kaminsims stand.
Sie drehte sich zu seinem Bett um.
Das Bett war leer. Die Kissen sahen zerwühlt aus, die Bettdecke war zurückgeschlagen. Seine Kleider fehlten.
Allegra fühlte, wie etwas Kaltes nach ihrem Herzen griff. Matteo war fort. Wohin? War er mitten in der Nacht aus dem Haus geschlichen? Hatte er seinen Kutscher angewiesen, anzuspannen?
War er nach Florenz zurückgekehrt?
Sie sank wie betäubt in den Sessel, der an den Kamin gerückt war. Ihre FüÃe, die in alten Pantoffeln steckten, stellte sie aufs Kamingitter, doch es half nichts. Die Kälte, die sie plötzlich erfasste, lieà ihre Zähne klappern und ihren Körper zittern, bis es schmerzte.
Er hatte sie allein gelassen.
Endlich konnte sie weinen.
Er konnte nicht schlafen.
Zu wissen, dass Allegra unter demselben Dach schlief wie er, raubte ihm den Schlaf. Er fiel nur in einen kurzen Dämmerschlaf, aus dem er mit rasendem Herzen aufwachte. Im Traum hatte er Allegra verloren. Lachend hatte sie sich einem anderen an den Hals geworfen, der ihr alles gab, was Matteo ihr verwehrte.
Sicherheit. Schutz. Vertrauen.
Nie wieder durfte ihm das passieren!
Er fühlte sich hellwach und munter. Kurz entschlossen stand er auf, kleidete sich wieder an und trat auf den Flur. Im Haus war es ruhig. Nur hinter einer der zahlreichen Türen hörte er ein Flüstern, als redeten zwei Menschen miteinander. Er blieb stehen und lauschte. Nein, einzelne Worte verstand er nicht.
Er ging weiter. Durch den Ballsaal und die hohe Fenstertür betrat er den Garten. Der Kies schimmerte silbrig im Mondschein und knirschte leise unter seinen Schuhen.
Jetzt wusste er, wohin er wollte, und obwohl es eine kalte Nacht war und der Morgennebel sich allmählich über das langgestreckte Tal senkte, in dem Gut und Dorf lagen, war ihm leicht und warm ums Herz. Er erinnerte sich wieder an die geschwungene Steinbank, auf der er mit Allegra gesessen hatte. Am Abend ihrer Verlobung, noch keine zwei Monate war das her.
Damals hatte er in seiner Verblendung geglaubt, alles haben zu können, er glaubte, die Welt liege ihm zu FüÃen. Dankbar sollte Allegra ihm sein, weil er sie zur Ehefrau gewählt hatte. Aber jetzt war er derjenige, der dankbar und demütig war, denn als die Principessa ihm riet, Allegra Bandinelli, die Tochter eines verarmten Landadeligen zu heiraten, war er zunächst nicht bloà skeptisch gewesen, sondern hatte auch gelacht. Er hatte geglaubt, die Ehe würde sein Leben nicht verändern, und gerade aus diesem Grund war ihm Allegra gerade recht gewesen.
Vielleicht hatte die Principessa schon damals geahnt, welchen Zauber Allegra bei ihm wirken würde.
Es genügte ihm, für immer bei ihr zu sein. Es genügte ihm, mit ihr das Bett
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