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Die Lilie von Florenz

Die Lilie von Florenz

Titel: Die Lilie von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Gordon
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schmerzlich nach ihm, und hätte er nur einen Schritt auf sie zu gemacht, dann wäre sie ihm in die Arme gestürzt, hätte sich bei ihm ausgeweint und versucht, ihren Schmerz zu vergessen.
    Aber sie hatte es geschafft, hart zu bleiben. Unnahbar. Und morgen, das wusste sie, morgen würde sie ihn fortschicken. Er musste doch nicht mehr lange warten, bis er sie vollends erniedrigt hatte. Und diesen Sieg über ihre Familie, diesen Moment des Triumphs, da ihr Vater starb, wollte sie ihm nicht gönnen. Sie wollte mit diesem tiefen Schmerz allein sein.
    Wenn dies hier vorbei war, würde sie das Landhaus für immer verschließen und zu Luigi nach Florenz gehen. Sie würde an seiner Seite leben müssen, und ihre einzige Hoffnung war, dass Luigi tatsächlich mit seiner Stimme das römische Publikum verzauberte und die Karriere als Kastratensänger den Lauf nahm, den er sich so sehr wünschte.
    Sie würde stets in seinem Schatten stehen. Das Leben an der Seite eines Mannes, der sie verehrte und ihr vielleicht sogar Liebe entgegenbrachte, war ihr verwehrt. Sie hatte ihre Jungfräulichkeit in einer berauschten Nacht leichtsinnig verspielt. Wer würde sie noch wollen?
    Vielleicht will Matteo mich. Vielleicht ist er gekommen, weil er mich liebt und für mich sorgen will .
    Sie schüttelte den Kopf. Nein, das war ein dummer Gedanke. Es half nicht, wenn sie sich solchen Hoffnungen hingab. Sie sollte wahrhaftig mit dem Schlimmsten rechnen.
    Es wurde Zeit, die Wickel bei ihrem Vater zu wechseln und ihm etwas Tee einzuflößen.
    In den letzten Wochen hatte Allegra in der Krankenpflege erstaunlich viele Fertigkeiten erworben. Sie hatte das Schlafzimmer ihres Vaters in einen Raum der Krankheit verwandelt, der aber zugleich der Genesung zuträglich sein sollte. Über dem Feuer simmerte stets ein Kessel mit Wasser, und sie hatte viele Medikamente, stärkende Tränke und Wickel, Tees und leichte Speisen ausprobiert, um das zu finden, was ihrem Vater die Fieberkrämpfe erleichterte.
    Wenig half. Manches sorgte für Linderung. Aber es war schwer für sie, dass sie nicht mehr für ihn tun konnte.
    Sie wechselte die Wadenwickel, die das Fieber niedrig halten sollten. Dann nahm sie einen Becher Tee und versuchte, ihn ihrem Vater einzuflößen. Er war wach; manchmal lag er stundenlang wach da, die Augen halb geöffnet, während sein Atem rasselnd ging und seine Glieder leise zuckten. Dann wieder lag sein Körper Stunde um Stunde wie tot da, und sie musste ihr Ohr an seine Brust legen, um sein Herz leise flattern zu hören – das einzige spürbare Zeichen, dass er noch lebte.
    Als sie sich jetzt zu ihrem Vater auf die Bettkante setzte, öffnete er plötzlich die Augen. „Marie“, flüsterte er.
    Allegra schluckte. Er fantasierte wieder, wie so häufig. Wenn er wach war, wenn er sprach, so dachte er stets, nicht seine Tochter säße bei ihm am Bett, sondern seine verstorbene Frau.
    â€žIch bin hier“, flüsterte sie. „Ich bin bei dir.“
    Ihre kalte Hand umfasste seine papiertrockenen Finger. Sie spürte, wie er ihre Hand sanft drückte.
    â€žDu liebst ihn.“
    Sie beugte sich vor, um seine Worte besser zu verstehen. Wovon redete er?
    â€žEr liebt auch dich, meine Geliebte. Ich habe es in seinen Augen gesehen, als er mit dir tanzte. Lass nicht zu …“ Ein Husten erschütterte seinen Körper, rasselnd und hart bellte er. „Lass nicht zu, dass euer Glück zerstört wird. … Euer Streit …“
    Allegra lauschte atemlos den Worten ihres Vaters. Was hatte das zu bedeuten? Wovon redete er?
    â€žVater? Vater, wovon sprichst du?“
    Sie hielt seine fieberheiße Hand umklammert.
    â€žMit ihm wirst du glücklich, Marie. … Mit ihm … Geh zu ihm … verzeih ihm … Er tat es nicht, um dir weh zu tun … er liebt dich …“
    Allegra saß wie erstarrt. Wie konnte das sein? Eine Erinnerung an ihre Mutter, die ihr Vater lange tief in seinem Herzen verborgen gehalten hatte, schien ihm nun, da er im Fieber redete, wieder in den Sinn zu kommen. Etwas, das ihre Mutter, ihren Vater und eine dritte Person betraf … einen anderen Mann? Hatte ihre Mutter einst einen anderen Mann geliebt, ehe sie sich mit ihrem Vater verheiratete?
    Sie streichelte die Hand ihres Vaters, bis er einschlief. Sein Atem ging ruhiger, und sie bildete sich ein, es ginge ihm nun besser. Leise stand sie

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