Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

übergeben, aber ob er tot ist, das wissen Sie nicht.«
    »Wo sind die Beweise, dass sich Köhn und Fischer kannten?«
    Timoschenko drehte das iPad herum, damit Regina besser sehen konnte. Das erste Bild zeigte zwei junge Studenten in der Uniform einer schlagenden Verbindung. Sie kreuzten die Klingen ihrer Florette. Das zweite war viel unschärfer. Sie konnte zwei herzhaft lachende Männer in schwarzer SS -Uniform sehen, die vor einem Schützenpanzer standen. Daneben, das erkannte sie sofort, befand sich der Chef der beiden: Heinrich Himmler. Das nächste Foto war schon farbig, aber immer noch sehr undeutlich. Es musste im Vorbeigehen aufgenommen worden sein, die Perspektiven waren schief. Man sah zwei Herren in weiten Anzügen und mit Sonnenbrillen vor einem Meeresufer sitzend.
    »Das ist an der Strandpromenade in Beirut 1962«, erklärte Timoschenko.
    »Es sind unsere letzten Fotos. Danach verlieren sich die gemeinsamen Spuren. Fischer war uns dann lange Zeit nicht wichtig genug. Wir wussten, dass er die Syrer um Assad unterstützte. Aber in der glorreichen Zeit haben wir das geduldet. Denn Syrien gehörte damals im Kalten Krieg zu ›unserer Mannschaft‹.« Er lächelte.
    Faruk konnte das kaum ertragen. Wegen Fischer war seineFrau vor über 16 Jahren gestorben. Und Fischer hatte auch ihn töten lassen wollen.
    »Aber Sie wissen eigentlich nur, dass sich die beiden kannten. Das ist bei Nazis so und wird auch in der sieg- und glorreichen Roten Armee häufig der Fall gewesen sein«, kam es ätzend, wenn auch leise aus Faruks Mund.
    Er wollte den Russen provozieren. Faruk ahnte, dass er noch ein Ass im Ärmel hatte. Timoschenko schwieg. Aber dieser Trick zog wirklich nur bei den üblichen Klienten. Schweigen ist das Mittel der Wahl, um Verdächtige langsam unter Druck zu setzen. Faruk wusste das. Die wenigsten Menschen halten Stille in einem Raum aus. Meist dauert es nur wenige Minuten, dann plappern sie sich um Kopf und Kragen. Aber hier saßen nur Experten des Verhörs an einem Tisch. Regina genoss regelrecht die Stille, ließ diese doch zu, dass sie in Ruhe die Bausteine, die das Zusammentreffen mit den Russen bislang hervorgebracht hatte, in ihrem Kopf zusammensetzen konnte. In ihrer Ausbildung zur Kriminalerin hatte sie eine virtuelle Hilfe für sich entwickelt. Sie erbaute in ihrer Gedankenwelt ein Haus der Logik. Jeder Hinweis war ein Teil dieses Gebäudes. Ein Indiz diente als Keller, kleine Hinweise als Zimmer. So errichtete sie langsam, aber strukturiert ein fertiges Haus, das meist dann auch die Lösung darstellte. Sie war sich sicher, dass auch der Hinweis der Kunsthistorikerin Setner wichtig war, eine Wand des Hauses. Aber sie konnte ihn noch nicht ganz in das Gefüge einsetzen.
    Timoschenko durchbrach die Stille. »Gut, Sie sollten wissen, dass wir alle unter einem gewissen Zeitdruck stehen. Die Viren sind, wie soll ich sagen? Sie sind wohl gefährlicher, als wir denken.«
    Faruk sah ihn verständnislos an. »Was kann da denn noch schlimmer sein? Die Menschen sterben doch gerade reihenweise, und die deutsche Regierung hat das Land bald gar nicht mehr unter Kontrolle.«
    Der Russe atmete tief durch. »Wir wissen, dass das Virus in einem bestimmten Zeitraum konform auftritt. Dann aber ändert es sozusagen seine Strategie.«
    Jetzt sah er in zwei völlig verdutzte Gesichter.
    »Wir sind keine Mediziner. Sind Sie so nett und lassen uns an dem medizinischen Fachwissen eines ehemaligen KGB -Offiziers teilhaben?«, fragte Faruk spitz.
    »Leonid wird Ihnen das besser erklären können. Er ist unser Genforschungsexperte und hat Jahre an diversen Pockenprojekten mitwirken dürfen.«
    »Wie man sich täuschen kann«, dachte Regina. »Eben noch den tumben Koch geben und dann schon als Fachkraft für Biowaffen auf der Bühne.«
    Der Berg von einem Mann setze sich auf den schmalen Küchenstuhl. Sein Gesäß überlappte auf beiden Seiten die Sitzfläche. Aber es schien ihn kaum zu stören. Leonid hatte schnell ein Blatt Papier und einen Stift parat und malte in beeindruckender Schnelligkeit Kurven und Stränge.
    »Das ist in groben Zügen der Aufbau eines Genomstammes des stärksten Pockenvirus. Bislang war es so: Griffen die Pocken an, gab es eine Impfung mit einem sogenannten Vakzin, einer schwachen Form der Kuhpocken, die schützte die Mehrheit der Menschen. Sie waren immunisiert. Die Pocken galten als ausgestorben. Noch vor dem Zusammenbruch einigten sich die UdSSR und die USA , das waren damals die bekannten Big