Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
einem modernen israelischen GPS -Gerät, das dank der israelischen Satelliten unabhängig von westlichen Netzen lief, auch aus diversen Waffen. Er führte zudem lediglich Jans Notarztkoffer und ein paar Textilien mit sich. Zweimal hatte Elijah auf einem menschenleeren Rastplatz mit Kontaktleuten seines Dienstes gesprochen. Sein Interesse galt dieser Sekte. Er war immer schon abgestoßen, aber auch fasziniert gewesen von Volksfrömmigkeit, Esoterik und Aberglaube. Es war so gegensätzlich zu seiner Arbeit. Dendeutschen Sicherheitskräften schien es unmöglich zu sein, wirklich alle Zufahrtswege in das Krisengebiet abzuriegeln. So war er über eine ausgestorbene A 71 bis fast ans Ziel in Unterfranken gefahren, ehe der silberne Porsche in einer Schneewehe steckenblieb. Danach hatte er die Rucksäcke mit den Nahrungsmitteln aus Ivan Pochs gutbestücktem Vorratskeller genommen und war mit Hilfe des GPS -Gerätes die restlichen Kilometer nach Rottershausen gelaufen. In seiner Ausbildung beim israelischen Militär und auch später beim Geheimdienst waren Gewaltmärsche von mehr als 50 Kilometern eine Selbstverständlichkeit. Aber mittlerweile war er jenseits des 40. Lebensjahres, und so spürte auch er die Strapazen eines solchen Marsches durch die kalte und karge deutsche Winterlandschaft.
Als Israeli, der aber in Europa aufgewachsen war, erlebte er Deutschland immer ambivalent. Hier waren seine Vorfahren millionenfach verfolgt und ermordet worden. Aber dennoch besaßen dieses Land und diese Menschen einen Zauber für ihn. Sie waren geradlinig, eigensinnig, romantisch und dennoch ohne Charme. Sie liebten Technik, Berechnungen, doch das Leben einfach zu genießen, schien ihnen schwerzufallen. Und dann diese Landschaft. Nicht trockene Wüste, Sand, Geröll und mühsam abgerungene Oasen. Sondern satte Wiesen, feuchte und dunkle Wälder. Irgendwo tief in ihm war etwas, was ihn für dieses Land einnahm. Wie sonst hätte er jemanden wie Jan, diesen dürren Kerl, als seinen Freund akzeptieren können. Der, ohne mit der Wimper zu zucken, erzählt hatte, dass sein Vater Arzt im Zweiten Weltkrieg gewesen war. Er ahnte nicht, dass einen Israeli dann sofort Zweifel und Argwohn beschlichen. War er der Sohn eines Täters? Eines Täters, der womöglich Elijahs Großvater ins Gas geschickt hatte? Mit diesen wirren Gedanken war er auf der Bundesstraße 19, die sich kilometerlang in einer tiefen Welle schnurgerade wie ein langes Schiff durch die Landschaft zog, allein auf dem Mittelstreifen gelaufen. Auf den Standstreifen hatte er immer wieder liegengebliebene PKW gesehen, in denen sich Paare und ganze Familien befanden – erfroren oder an den Pocken verstorben.
Dann hatte er am Mittag Jan auf der Bundesstraße oberhalb der Siedlung neben dem LKW entdeckt. Mit viel Mühe hatte Elijah ihn halbwegs ins Diesseits zurückgebracht. Sein Kreislauf war instabil, Frostbeulen hatten sich gebildet, und er war völlig dehydriert. Kaum war er wieder bei Bewusstsein, schrie er vor Schmerzen. Jan spritzte sich selbst ein schmerzdämpfendes Mittel.
Während Jan schlief, fand er das fiebernde Kind in der Schlafkabine. Die Pocken schienen bei dem Mädchen zwar ausgebrochen zu sein, aber ihr kleiner Körper kämpfte tapfer dagegen an. Nach drei Stunden hatte Elijah sie mit hochrotem Gesicht aus dem Wagen getragen, Jan geweckt und die Wunde erneut verbunden. Als er auf seinem Gaskocher Essen zubereitete, hatte Jan leise und schwach von seiner apokalyptischen Reise von Bentheim hierher erzählt. Es ging ihm besser. Das Schmerzmittel tat seine Wirkung. Und auch das Mädchen schien sich stündlich zu erholen.
»Bist du in der Lage weiterzulaufen? Oder willst du mit dem Mädchen zurück nach Seligenstadt?«, fragte Elijah besorgt.
Jan hatte den Kopf geschüttelt. »Sie wird mit uns kommen. Was hast du denn da unten bei der Sekte vor?«
Elijah hatte nur mit den Schultern gezuckt und lakonisch gesagt: »Nur anschauen, nicht mehr.«
Was sollte Jan schon machen? Allein hatte er keine Chance, und er wusste, dass Elijah, wo er schon einmal hier war, unbedingt die Drahtzieher des Anschlags finden wollte. Trotz des wieder einsetzenden Schneetreibens waren sie zu Fuß von der Bundesstraße zu der Waldsiedlung der Sekte gewandert.
»Also, die drei größten Popsongs«, fing Elijah an, und Jan stöhnte.
Er spielte mit, allein, um sich von den immer stärker werdenden Schmerzen abzulenken. »Also jedenfalls nicht Billie Jean von Jackson. Das ist echt zu billig.
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