Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
den Bauch und erhob sich dann ächzend. Ein älterer Mann in einer Thermojacke hatte die Szene von der Tür seines Campingwagens aus verfolgt. In zwei Schritten war er bei Jan, der immer noch vor Zorn bebte.
»Junger Mann, ich weiß, dass Sie das kaum mitansehen können. Aber die Frau Fassler ist noch nicht so weit. Sie kennt das Licht noch nicht.«
Jan blickte den Mann irritiert an. »Wovon reden Sie? Die Alte hat ein totes Kind geschändet.«
»Nein, sie glaubt, dass sie sich selbst helfen kann. Sie hat kein Vertrauen.«
Stumm hatte Elijah die Szene verfolgt. Mit Mühe drückte er jede menschliche Regung wieder in die letzten Winkel seiner Seele. Es durfte ihn nicht berühren. Er griff in seine wattierte Jacke und kramte eine Schachtel Zigaretten hervor. Er hielt sie dem Alten hin, doch der lehnte dankend ab.
»Welches Licht?«
Ein Schatten von Zweifel und Misstrauen huschte über das faltige und von Narben gezeichnete Gesicht des alten Mannes.
»Warum seid ihr dann hier, wenn ihr noch nicht vom Licht gehört habt?«
Im Türrahmen des Campingwagens erschien ein junger, ausgemergelter Mann. Lange fettige Haare hingen ihm vom Kopf und lagen schmierig auf seinen Schultern. Er hielt die Arme hinter dem Rücken verschränkt, aber Elijah bemerkte sofort, dass er etwas in den Händen hielt. Ehe er reagieren konnte, sprach Jan.
»Wir wollen auch den Segen der Prophetin. Mein Kind …« Er stockte. »Meine einzige, die mir … Meine einzige Nichte . Sie soll sie retten. Können wir uns bei Ihnen etwas aufwärmen?« Der Alte blickte Jan lange ins Gesicht. Und der hatte das Gefühl, als ob der Alte in seine Seele blicken würde.
»Dein Mädchen kann sich bei mir in den Wagen legen. Wir sind wohl immun. Ach ja, mein Name ist Albert Albers, und das ist mein Sohn.«
Jan und Elijah stellten sich ebenfalls vor.
»Wollt ihr einen Tee haben? Tomas, hast du noch heißes Wasser?«
Der junge Mann hinter ihm knurrte, nickte aber ergeben. Wenig später saßen sie zu fünft um den kleinen Tisch im Campingwagen herum. Hinter ihnen war die Wand mit Postkarten von verschiedenen europäischen Ferienzielen beklebt. Die kleinen Gardinen vor den Fenstern rochen nach Bratenfett, und auch die Polster gaben einen merkwürdigen Geruch ab. Aber Jan und Elijah waren froh über die leidliche Wärme, die ein Gaskocher hier absonderte, und dass jemand sie über diese Szenerie aufklären konnte. Der Teebeutel, den der alte Mann ausdrückte, schien schon mehrfach benutzt worden zu sein. Das Wasser verfärbte sich auch nach Minuten kaum noch. Er bemerkte es gar nicht, sondern begann zu erzählen.
»Sie sind schon seit Jahren hier. Immer wieder soll die angebliche Prophetin hier geheilt und die Zukunft vorausgesagt haben. Zuletzt warnte sie alle, und das konnte man ja auch im Fernsehen sehen, vor einer großen Seuche. Sie allein soll die Menschen heilen können. Aber eben nicht jeden. Sie sieht dich an, und wenn du nicht bereit bist, schickt sie dich weg. Du musst das Licht erkennen.«
Jan hakte vorsichtig nach. »Sie heißt Birghid, nicht wahr?«
Albers nickte.
»Und Sie glauben nicht an ihre Fähigkeiten?«
Der Mann schloss die Augen. »Sie sagen, sie sei eine Sehende.«
»Was heißt das genau?«, fragte Jan.
»Sie kann die Zeichen erkennen. Sie sei die Letzte der Sehenden. Von Ezechiel über Johannes und Mani zu Hieronymus.«
»Woher wissen Sie das so genau? Kennen Sie sie?«
Der Alte lächelte bitter. »Ich war evangelischer Pfarrer auf Sylt. Ich war bekannt, alle wollten meine Predigten hören. Im Sommer rissen sich die Prominenten darum, von mir getraut zu werden. So manchen von ihnen geleitete ich hinüber in das andere Licht, wie sie hier sagen. Aber dann ergriff Satan Macht über meinen Sohn.« Er zeigte mit einem kleinen dicken Finger auf seinen Sohn, der hinter ihm an einem Waschbecken stand und kleineSchneehaufen schmolz. »Tomas war in Hamburg der Droge und der Sünde verfallen. Was habe ich alles versucht. Kalter Entzug, Methadon, Gebete, Meditation. Immer wieder Rückfälle. Im Sommer dann raubte er das Haus eines Brautpaares aus, während ich es in meiner Kirche traute. Ich musste zurücktreten.«
Jan konnte nicht verstehen, wie offen und hart der Vater im Beisein seines Sohnes über dessen Verfehlungen sprach. Aber vielleicht gehörte diese Härte dazu.
»Mein Gott ließ mich mit ihm allein, und so nahm ich ihn, krank, böse und befallen, wie er war, mit zu ihr . Sie gastierte im Herbst in einem Ort namens Geesthacht.
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