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Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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ob ihrer Härte und ihres aggressiven Nachfragens als heimliche Königin des Gewerbes.
    »Ich habe gesündigt, weil ich meine Gäste mit meinem Hochmut verletzt habe. Weil ich glaubte, im Mittelpunkt aller Geschehnisse zu stehen. Ich war krank und bin nun geheilt. Sie gab mir das Licht.«
    Auch sie zerriss ihr Hemd, und zwei von Jan sofort als künstlich erkannte Brüste wurden sichtbar. So trat nach und nach jeder der Menschen nach vorn an den Bühnenrand, bezichtigte sich der Habgier (ein Investmentbanker), der Wollust (ein Schauspieler), der Völlerei (ein Feinkosthändler), des Neids (ein Politiker) und der Feigheit (eine Richterin). Dann zogen sie sich aus und standen ohne Scheu nackt vor all den siechenden Menschen. Auf Jan und Elijah wirkte es wie eine absurde Mischung aus einem Bauerntheaterstück und der Erweckungsmesse einer Baptistengemeinde im Süden Amerikas.
    Ein heiserer Schrei erklang hinter ihnen. Sie sahen sich um. Inmitten des Kerzenkreises hob die Heilerin ihre Hände empor und schrie etwas Undeutliches. Dann sackte sie zusammen. Sofort stürzten die Männer um sie herum zu ihr und hoben sie empor.
    Nach einem kurzen Moment der Erstarrung trug ein baumlanger Hüne mit einem Pferdeschwanz sie auf seinen großen Armen nach vorn und setzte die Frau wie in einer Opernaufführung auf einen Stuhl, wo sie mit geschlossenen Augen sofort in sich zusammensackte. Die Menschen in der Halle wirkten wie eingefroren. Keiner wagte etwas zu sagen, bis eine schneidende Stimme die Stille zerriss.
    »Heute heilte sie . Aber es ist eine Mühsal. Ihr seht es. Nicht alle sind hier, um das Licht zu sehen. Unter euch Hoffenden und Verzweifelten sitzen noch immer die Frevler und Sünder. Sie feixen und lachen insgeheim, weil sie nicht ihre Kraft erkennen. Sie aber kann so nicht alle heilen.«
    Ein Raunen ging durch die Reihen. Die Menschen waren unsicher. Sie warteten auf die Heilerin, aber diese Nachricht schien sie zweifeln zu lassen. So viele Strapazen hatten sie auf sich genommen, und nun sollten sie ihre letzte Hoffnung wegen ein paar Sündern verlieren?
    »… Wer also den Segen nicht spürt, muss wissen, dass die Sünder euch diese Kraft mit ihrer fehlenden Reue verwehren. Einem speckigen alten Mantel gleich werfen sie ihre Sünden vor das Licht, das euch die Krankheit nimmt. Mögt ihr noch so sehrglauben, es euch wünschen, inbrünstig bitten, die Sünder unter uns halten euch auf, das Licht zu sehen.«
    Die Ersten, die es noch konnten, standen auf. Eine Frau in einer gelben Skijacke rief schrill: »Zeigt sie uns, wir werfen sie hinaus.« Andere applaudierten beifällig. Das wiederum ermutigte weitere. »Zeigt sie uns, dann holen wir sie uns.« Langsam entstand aus der andächtigen Stimmung der Wunsch nach Gewalt und Eskalation. Schon zu lange gab es kein Ventil für die Wut und Ratlosigkeit der Menschen. Die Krankheit war in ihr Leben eingebrochen wie ein Sturm aus heiterem Himmel. Ihr Land, das gewohnte Umfeld, der Rhythmus der Sicherheit eines zivilisierten Staates war außer Kontrolle geraten. Aber wer war dafür verantwortlich? Wer hatte sie alle so sehr gehasst, dass er Unschuldige so strafen wollte? Früher hatten Medien und Politiker die Hintergründe für sie erklärt, eingeordnet. Jetzt aber, im schlimmsten Chaos seit dem letzten Krieg, waren sie auf sich gestellt. Wie Tiere in einem bedrohlich dunklen Wald, umgeben von gefährlichen Feinden, ließen sie ihren Instinkten freien Lauf. »Zeig sie uns, wir wollen sie sehen.«
    Jans Exfrau hatte sich neben die in ihrem Stuhl versunkene Heilerin gekniet und schien ihren Anweisungen zu lauschen. Sie nickte und flüsterte noch ein paar Worte. Dann erhob sie sich und zeigte mit einer herrischen Geste auf Jan und Elijah.

Helgoland, Deutschland, 22. 12., 11.47 Uhr
    Der Boden des Hubschraubers war mit Erbrochenem übersät. Sie waren vier Zivilisten sowie ein Militär mit hohem Rangabzeichen, und bis auf Clara Ridder hatten sich alle übergeben müssen.
    Am Nachmittag waren sie und ihre Assistentin auf dem Marinestützpunkt Nordholz angekommen, hatten sich wie selbstverständlich im Beisein der Männer bis auf die Unterwäsche ausgezogen und sich in ihre Overalls gezwängt. Hier war einShuttle-Service zur provisorischen »Regierungsinsel« eingerichtet, hier wurde der Flug- wie auch der Schiffsverkehr überwacht. Die Base war mit mehreren Sicherungskordons hermetisch abgeriegelt. Kräfte des Heeres verstärkten den Abwehrschirm. Es hatte fast eine Stunde gedauert,

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