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Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Augen. »Es ist kein Problem.«
    Faruk hatte sich bereits angezogen, als Regina erwachte.
    »Wo gehst du hin?«, fragte sie noch schläfrig.
    »Ich sehe mich ein wenig im Ort um. Wir treffen uns zum Frühstück. Lass dir Zeit.«
    Faruk ging in Reginas eiskaltes Zimmer und verrichtete sein Morgengebet. Vorsichtig stieg er die knarzenden Treppenstufen zum Wirtsraum hinunter, ging auf die Straße und stand im nächsten Moment am Pier einer Schiffsanlegestelle. Raureif hatte sich über die Poller gelegt. Die Donau hatte nicht viel Wasser geführt, als der Frost sich ihrer annahm. Aber breit war sie. 200 Meter, schätzte Faruk, waren es bestimmt bis zum anderen Ufer. Wie Glassplitter ragten Eisplatten in der Mitte auf. Als es noch möglich war, waren wohl eisbrechende Schiffe den Fluss hinaufgefahren, um eine Fahrrinne zu schaffen. Aber die war mittlerweile auch zugefroren. Gegenüber erhob sich ein Höhenzug, gekrönt von einer Burgruine. Kinder standen auf dem Eis oder liefen an vom Schnee freigeschaufelten Stellen Schlittschuh. Wenn der Himmel jetzt noch blau gewesen wäre, dann wäre das Postkartenidyll perfekt gewesen. Aber stattdessen hatte sich Nebel gebildet, der sich in wabernden Schlieren über Fluss und Hänge legte.
    Faruk zog die Mütze, die Regina ihm in Wien in die Hand gedrückt hatte, tiefer ins Gesicht. Er musste komisch aussehen mit diesen Felllappen über den Ohren, aber sie wärmte. Er ging die Hauptstraße, die vom Fluss durch den Ort hinauf zur Bundesstraße führte, entlang und begegnete in wenigen Minuten allein drei Menschen unterschiedlichen Alters mit Krücken. Siealle konnten sich nur mühsam auf den Beinen halten. Faruk vermutete, dass in der Nähe ein Heim für Behinderte war. Die Straße wurde steiler. Rechts von ihm erhob sich auf einem Hügel die Ortskirche. Er erklomm die steile Treppe, die zum Eingang des Grundstückes führte. Die Kirche selbst war klein, an ihrem Ende schloss sich ein winziger Friedhof mit Eisenkreuzen und Grabmalen an. Der Duft von Weihrauch ließ ihn an seine Heimat denken. Es war ein friedlicher Gedanke. Eine alte Frau mit kurzen weißgrauen Haaren und einer Krücke folgte ihm. Rasch hielt er ihr die Tür auf. Er setzte sich, wie die Frau auch, in eine der Bankreihen. An der Seite saß noch ein Mann, seine Mütze hatte er nicht abgenommen. Er war tief ins Gebet versunken. Links an der Wand hing ein Holzkasten mit vergilbten Fotografien. Er rutschte ein wenig näher, um die Schriften, die darüberstanden, zu entziffern. »Für unsere Helden«, las er. Es waren Bilder von Soldaten des Zweiten Weltkriegs, wie Faruk erkannte. Allesamt sehr junge Männer mit ernstem Blick. Einige trugen graue, andere schwarze Uniformen.
    »Mein Bruder, der Johannes, ist auch dabei.«
    Faruk schreckte unmerklich zusammen. Die alte Frau redete mit ihm. Er fühlte sich ertappt. »Ja, wer ist es denn?«
    Sie hatte sich umgedreht, erhob sich jetzt stöhnend und schob sich durch ihre Reihe, ehe sie sich dicht neben ihm stöhnend wieder niederließ. Ihre Hand, mit der sie auf ein Bild zeigte, war verkrüppelt, die Finger verkrümmt, und ein fauler Atem kam aus ihrem Mund, der nicht mehr viele Zähne beherbergte. Faruk wich ein wenig zurück, wollte aber nicht unhöflich wirken.
    »Er lebt noch.«
    »Aha«, sagte Faruk, »dann muss er doch nicht hier hängen.«
    Sie sah ihn verschwörerisch an. »Doch, für sie ist er tot.«
    Er nickte. Die Alte schien dement zu sein. Er erhob sich höflich, und sie ließ ihn zögernd an sich vorbeiziehen. Draußen sog er fast gierig die kalte Luft in seine Lungen ein. Sie folgte ihm noch, als er über den Friedhof schritt. Er schloss die Augen. Hier war der Platz der Toten. Und er wollte hier an seine Toten denken. Seine Frau, hingemetzelt von Assads Schergen. Und er gedachteall jener, die er getötet oder hatte töten lassen. Auch er war nicht ohne Schuld. Das wusste Faruk Al-Ali. Aber hier, fern seiner Heimat, in der nebligen Kälte eines österreichischen Kaffs drang die eigene Schuld in jede Ritze seines Wesens. Zum ersten Mal. Es war Zeit, die Dinge anders zu sehen, dachte er.
    Er las die Namen, die Todesdaten. Aber da gab es nichts Auffälliges. Zumindest erkannte er es als Syrer nicht. Aber alle Grabsteine waren wie blankpoliert und wirkten geradezu neu. Er sah Reihe für Reihe, aber nicht ein verwitterter Stein oder ein rostiges Eisenkreuz waren zu sehen. Aber das war es nicht allein. Es konnte Zufall sein, oder man hatte die Gräber umgebettet. Doch

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