Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
nach dem Essen eine Zigarette anzündete. Das Rauchverbot hatte zwar auch Österreich erfasst, aber hier auf dem Landblieb man gegenüber diesen Direktiven aus der Hauptstadt gelassen. Und in dieser Gaststätte sowieso: Die braunen Resopalverschalungen an den Wänden und die schweren Eichentische ließen den Schankraum dunkel und ein wenig verrottet erscheinen. Die Wirtin spülte Gläser und schaute immer wieder verstohlen zu ihnen herüber.
Faruk und Regina waren kurz nach draußen gegangen und hatten mit ihrem Satellitentelefon Kontakt zu Jan und Elijah aufgenommen. Sehr besorgt waren sie zum Tisch zurückgekehrt, wo Setner mit einer Tasse Tee über einem Buch saß.
»Verraten Sie mir, was Sie da lesen?«, fragte Faruk.
Sie schob ihm das Buch entgegen. »Das ist ein Heimatbuch. Hier sind die Vereine, ihre Aktivitäten und ihre Mitglieder aufgeführt. Neben Volkstanz scheint das Wandern hier sehr beliebt zu sein, es gibt allein hier in diesem Flecken zwei Wander- und Geselligkeitsvereine.« Sie stutzte, als sie es vorlas, fuhr dann aber fort: »Und erstaunlich viele Mutter-Kind-Gruppen sind aufgelistet.«
»Aha, sehr schön. Und was ist daran so auffällig?«
Setner sah sie über den Rand ihrer Lesebrille an, schüttelte den Kopf und sagte nur: »Nichts.«
Faruk rührte in seinem Tee, sah zu den Kartenspielern hinüber und erwischte auch prompt einen der Männer dabei, wie er zu ihnen herüberstarrte. Sofort senkte der Mann den Blick und vertiefte sich wieder in seine Karten.
»Hier also ist Ezechiel aufgewachsen. Kein Ort für kunstsinnige junge Menschen, wie ich finde. Frau Doktor, wie lautete sein richtiger Name?«
»Anton Gusenbauer. Seine Familie besitzt ein Bauunternehmen hier im Ort.«
Setner schlug eine Seite des Heimatbuches auf und wies auf eine Anzeige der Firma. Die Inhaber, zwei Brüder, zeigten sich dort umrahmt von ihren Frauen vor einem großen Bagger stehend. Alle waren fett, es ließ sich nicht anders sagen. Dicke Köpfe prangten scheinbar ohne Hals auf voluminösen Rümpfen. Selbstgefällig verschränkten sie die Arme.
»Man kann nicht sagen, dass Anton ihnen ähnlich gesehen hat«, spottete Regina, die sich an Faruks Seite drückte, um auch in das Buch zu schauen.
Faruk hielt den Atem an. Musste sie ihm so nahe kommen? Er schob das Buch nach rechts. »Gut, was machen wir morgen?«
»Wir begeben uns auf Ezechiels Spuren. Mittlerweile dürfte er ja hier bestattet worden sein, oder?«, meinte Setner.
»Na ja, er ist wohl in der Hütte verbrannt. Da wird nicht mehr viel übriggeblieben sein«, wandte Regina hart ein.
Setner schluckte. »Was für ein trauriges Ende.«
»Gut, fangen wir mit dem Friedhof an, dann die Eltern, die Schule, halt das ganze Programm, und jetzt gehen wir schlafen«, beschloss Faruk.
Der Syrer war zwar in islamischer Tradition religiös erzogen worden, aber in seiner Jugend hatte er seinen Glauben verloren. All die Jahre beim Geheimdienst seines Landes ließen ihn an der Existenz Gottes oder gar an den strengen Regeln des Islams mehr als zweifeln. Er lehnte sie ab. Dann starb seine Frau, hingerichtet von seinen Feinden, die er erst vor wenigen Monaten zur Strecke bringen konnte. Und dann, mit all den neuen Herausforderungen, seiner neuen Position und dem damit verbundenen Druck, war wieder etwas in ihm entflammt. Er hatte wieder begonnen, fünfmal am Tag zu beten. Nicht immer war es ihm möglich. Aber jetzt, nach der langen Reise, den neuen Eindrücken, wollte er diesem Licht oder Gott oder was immer es war, danken. Und das konnte er nur auf die Weise, wie er es in seiner Kindheit gelernt hatte.
Faruk wusch sich Hände, Nase, Ohren, Mund und Füße und stellte sich barfuß vor sein Fenster. Er nahm seinen Kompass vom Nachttisch, suchte die Richtung nach Mekka und begann leise das Nachtgebet zu sprechen: »Ich suche Zuflucht bei Allah, vor dem gesteinigten Satan. Im Namen Allahs, des Allerbarmers …« Die Tür öffnete sich. »… dem Herrscher am Tage des Gerichts …«
Er erkannte sie schon an ihrem Gang.
»… führe uns den geraden Weg …«
Sie räusperte sich, wartete aber, ehe sie leise sagte: »Die Heizung ist immer noch kalt.«
Er verbeugte sich noch einmal, »… Gepriesen sei mein Herr, der Erhabene«, drehte sich zu ihr und wandte sofort den Blick wieder zum Fenster. Sie trug nur ein T-Shirt und einen Slip. Er wies auf das Bett.
»Leg dich rein, ich schlafe im Stuhl.«
»Tut mir leid, aber morgen wäre ich ein Eiszapfen.«
Er schloss die
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