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Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Gusenbauer kennengelernt. Das wundert mich.«
    Regina fühlte sich schon die ganze Zeit unwohl mit dieserNotlüge. Sie hatte nie studiert und fürchtete, dass man ihr das anmerkte.
    »Na ja, ich habe dann sehr schnell abgebrochen«, beeilte sie sich zu sagen.
    Die alte Dame setzte sich. Sie trug noch ihren Morgenmantel aus roter Seide. An den Füßen baumelten jetzt, wo sie saß und ihre Beine übereinandergeschlagen hatte, malvenfarbene Samtpantöffelchen. Sie zündete sich eine Zigarette an, die sie in eine gelblich schimmernde Spitze gesteckt hatte, und zog daran. Faruk roch es sofort. Das waren seine geliebten Rosenzigaretten, die er seit Monaten nun nicht mehr genießen durfte. Heimlich sog er den Rauch, den sie ausblies, ein.
    »Und … diesen Herrn … haben Sie den nach Ihrem Abbruch kennengelernt?«
    Faruk zuckte unmerklich.
    »Nein«, erwiderte Regina, »wir sind Kollegen, und ich zeige ihm meine Heimat.«
    »So?« Jelinek musterte ihn lange, sah ihm tief in die Augen und ließ dann den Blick von den Haaren bis zu seinen Füßen wandern. Faruk empfand es fast als obszön. »Sie sind aus dem Nahen Osten, nicht wahr?«
    Faruk lächelte. »Ja, das stimmt. Ich komme aus Syrien.«
    Sie griff in die große Tasche ihres Morgenmantels. Wie zufällig verrutschte er dabei ein wenig und gab Faruk Einblick auf ihren Oberkörper. Irritiert sah er weg. Das konnte nicht sein. Dem Gesicht nach zu urteilen, musste die Frau im Rentenalter sein. Aber unterhalb des Halses sah sie eher aus wie eine junge Frau. Sie hielt ihm die Packung mit den dünnen Zigaretten vor die Nase. Er sah ihr in die Augen und schüttelte stumm den Kopf. Sie lächelte zurück.
    »Sehr schade.«
    Dann beugte sie sich vor, schlug ein buntbemaltes Fotoalbum auf und blätterte darin.
    »Das war der Jahrgang 1975 oder 76 … Moment …«
    Regina sah zu Faruk, der nun, statt auf die Fotos zu schauen, seinen Blick aus dem Fenster schweifen ließ. Er sah hinunter aufdie Straße, die sich vom Ort zum Schulgebäude hochschlängelte. Unten erkannte er den Unimog, und er sah, wie der Fahrer neben seinem Fahrzeug stand und sich mit jemandem unterhielt. Plötzlich schien das Gespräch beendet zu sein. Der Fahrer stieg zurück in seinen Unimog, und der andere wechselte hektisch auf die andere Straßenseite, wo ein dunkler Van in einer Schneewehe am Rand parkte. Er sah zu Regina und bemerkte, dass auch sie die Szene verfolgt hatte.
    »Hier, das sind sie.«
    Jelineks langer, knochiger Finger, an dem ein seltsamer Ring mit einer Zahl prangte, zeigte auf ein Bild. Ein vergilbtes, schwach farbiges Foto. Vielleicht 30 Kinder saßen und standen in drei Reihen vor einer Schultafel. Vier von ihnen standen etwas abseits, als wollten sie sich von den anderen Schülern absetzen. Daneben, die Arme unter den Brüsten verschränkt, stand Jelinek.
    »Sie haben sie bestimmt geliebt, oder?«, fragte Regina.
    Jelinek beugte sich nach vorn. »Gott, wenn Lehrer Kinder lieben, hat das immer was von schwitziger Turnhalle. Ich war und bin kein Mutterersatz. Das war eine Arbeit, ein Beruf, mehr nicht. Ich habe sie, so gut es ging, bis zur Mittelschule erzogen. Dann sind sie entweder zum Gymnasium oder zur Depperlschule im Trappistenkloster nach Engelhartszell, nördlich von hier.«
    Frau Jelinek schien ein besonderes Exemplar österreichischer Pädagogik zu sein.
    »Und wo ist er?«
    »Na dort – bei den vieren.«
    Ihr Finger – an dreien prangten Ringe – wischte über das Foto. Ein blässlicher Junge mit einer großen Hornbrille stand links außen. Das Mädchen neben ihm hatte ihren Arm um seine Schultern gelegt.
    »Da ist seine Schwester. Das ist Almut. Daneben steht die Adoptivschwester von Anton und Almut, Maria und – Arwed. Das sind die Kinder vom Fischer Alois. Der liegt ja da unten.« Jelinek zeigte zum Friedhof. Dabei übersah sie, wie bleich Faruk und Regina wurden.

Venedig, Italien, 20. 12., 17.41 Uhr
    Angewidert sah der dürre Italiener auf den fetten Mann aus Deutschland. Seiner Überzeugung nach kamen hier zwei Krankheiten in einer Person zusammen. Der Mann kam aus Deutschland und war somit ein potentieller Pockenkranker, und schwul war er auch noch. Beides war ansteckend, dachte er mit Schaudern.
    Ivan Poch lag auf einem Berg von Kissen und eingehüllt in mehrere Decken in einer Gondel. Mit ihm fuhr sein Begleiter, der gerade volljährige Jürgen aus Gießen, der sich, statt den Ausführungen seines Meisters und Freundes zu lauschen, in eine Frauenzeitschrift vertieft

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