Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
er wusste um die begrenzten Kapazitäten der Krematorien in der Stadt. Mittlerweile hatte der Transporter den Frankfurter Ring, eine Ausfallstraße, die unter anderem zur Müllverbrennungsanlage in Unterföhring führte, erreicht. Der Arzt zeigte auf das große Gebäude mit den markanten Türmen. Auf der anderen Straßenseite fuhren LKW der Bundeswehr im Konvoi auf die Anlage zu.
»Wir haben keine andere Lösung. Wir können sie nirgendwo zwischenlagern. Zudem sind die Leichen hochkontaminiert. Die Sekrete werden nur bei rascher Verbrennung und hohen Temperaturen zerstört. Und lieber etwas weniger Pietät und dafür langfristig Sicherheit, um die …«
Elijah hob die Hand. Er hatte still zugehört und dann auf die weiße Rauchsäule aus dem Kamin der Anlage geblickt. »Wir verstehen. Im Verbrennen von Leichen war Deutschland schon immer weit vorn.«
»Was wollen Sie uns unterstellen? Wir haben sie nicht getötet. Aber selbst als Leichen stellen diese Menschen noch eine immense Bedrohung dar. Haben Sie etwa eine bessere Idee?«
Der Arzt war sichtlich genervt. Aber Elijah schwieg und zuckte nur mit den Schultern.
Sie waren um 12 Uhr mit Regina und Faruk am Friedensengel, einem Denkmal hoch über der Isar, verabredet. Jans Exfrau würde zum ersten Mal auf Regina treffen, und ihm war nicht wohl bei dem Gedanken. Sie hatten die Mitfahrer am Krankenhaus Bogenhausen herausgelassen und standen jetzt am Rande eines Grünstreifens. Jan lief auf die Säule zu, auf deren Spitze ein freundlicher, goldener Engel auf einem Bein stand. Ihm war der Friedensengel immer lieber gewesen als die martialische Berliner Siegessäule. Dieser dicke Putto dort oben war für ihn auch ein Gegenentwurf des eigentlich friedfertigen Bayerns zum aggressiven Preußen.
Die letzten Tage hatten sich, das spürte er, tief in seine Seele eingegraben. Die Odyssee durch Deutschland mit Martha hatte ein neues Menschenbild in ihm entstehen lassen. Nie zuvor war ihm so heftig die Niedertracht und die Verletzlichkeit der Menschen begegnet. Der Arzt Jan Kistermann hatte sich immer von solchen Emotionen ferngehalten. Sie hätten seinem Ethos vom Helfen und Kurieren widersprochen. Aber nie mehr würde er die Menschen so nüchtern distanziert betrachten können. Schon in Syrien waren ihm die Erlebnisse mit dem alten Nazi, Almuts Vater, nahegegangen. Aber der Hass im Lager, die Bösartigkeit der Männer in der Rhön und nicht zuletzt die rasende Geschwindigkeit,mit der ein hochzivilisiertes Land wie das seine in Chaos und Apathie versinken konnte, hatten ihn stark mitgenommen. Ihm war, als ob eine Art Rüstung aus Zynismus und Härte sich um ihn gelegt hätte. Kein angenehmer Gedanke.
Eisiger Wind vermischt mit hartem Schneegriesel stach in sein Gesicht, als er Regina und Faruk in der steinernen Umfassung der Säule sah. Er wollte klare Verhältnisse, und so nahm Jan Regina fest in den Arm und küsste sie lange. Faruk sah indigniert zur Seite. Er ahnte, dass diese Szene an Jans Exfrau gerichtet war. Dann begrüßte Jan auch Faruk und umarmte ihn ebenfalls.
»Sie sind also meine Nachfolgerin.«
Jan zuckte zusammen. Andrea war aus dem LKW gestiegen und hatte Regina ihre Hand ausgestreckt.
Regina sah sie fragend an, ehe sie verstand. »Es freut mich, Sie kennenzulernen.«
Jan hielt die Luft an. Dann ging er neben Regina schweigend zurück zum Fahrzeug.
Andrea hatte das Mädchen gewaschen, ihm etwas zu essen gemacht und es dann ins Schlafzimmer gebracht, wo Martha jetzt friedlich schlief. Erst dann war sie zu den vier in die Küche gekommen und hatte wortlos gekocht, während die anderen ihre Erlebnisse austauschten.
Das Essen war ihr wieder einmal gelungen. Jan saß still, aber staunend über seinem Teller. Andrea besaß die Begabung, aus sehr wenigen Zutaten ein einfaches, jedoch ausgesprochen köstliches Mahl zu zaubern. In ihrem Haushalt befanden sich noch genug Lebensmittel, und so saßen alle am großen Küchentisch vor dampfenden Penne Arrabiata. Auf dem Kühlschrank stand einer kleiner Fernseher. Doch kaum einer von ihnen registrierte das Nachrichtenprogramm. Zu ungeheuerlich war das, was Jan und Elijah sowie Regina und Faruk zu erzählen hatten. Sie schienen an einem entscheidenden Punkt angelangt zu sein.
Besonnen, wie er war, fasste Faruk zusammen.
»Jetzt ist klar, wen Birghid gemeint hat: Wir müssen nach Almut suchen. Almut, Ezechiel und Birghid sind Geschwister undstammen, wie auch Reginas Auftraggeber Arwed Köhn, aus dem Dorf. Zumindest
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