Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
kann sich schnell ändern.«
Ein Schatten hatte sich vor Köhn aufgetan. Er öffnete die Augen und sah hoch zu Regina, die ihre Hände vor ihrem Bauch gefaltet hatte und nur für ihn sichtbar eine kleine Waffe trug.
»Sie sollten sich nicht zu sicher fühlen.«
Er erschrak nicht, sondern lächelte sie an und wies auf den Platz neben sich. Tatsächlich setzte sie sich.
»Lassen Sie mich raten. Ihre Freunde aus dem Nahen Osten hocken irgendwo und beobachten uns mit Hilfe eines Zielfernrohrs.«
Regina zündete sich eine Zigarette an und zog den Rauch tief ein.
»Rauchen ist hier nicht erlaubt. Das sind gute Katholiken, die noch Wert auf Anstand und Etikette legen«, spottete Köhn.
»Wir wissen, wo das Bild ist.«
Er nickte. »Gut, und wann gedenken Sie, es mir zu geben?«
»Wenn wir alle das Gefühl von, sagen wir, dauerhafter Sicherheit haben.«
Köhn nahm ihre Hand und griff nach ihrer Zigarette, zog daran und blies kleine Kringel in die Luft. Sie ließ ihn gewähren. Er bemerkte nicht, dass sie auf dem ihm abgewandten Ohr einen kleinen Knopf mit einer Funkverbindung trug.
»Sie verraten mir den Ort, wo das Bild liegt. Ich will nicht, dass Sie es schon vorher anfassen oder gar umhertransportieren. Dafür nenne ich Ihnen den Aufenthaltsort von Frau Kistermann und den Kindern.«
»Und danach sind wir dauerhaft auf der Flucht? Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
Sie griff in ihre Tasche, zog ihr Smartphone heraus und drückte auf eine Applikation. Köhn erkannte in der Sonne zunächst nichts. Dann aber wurden die schemenhaften Bilder deutlicher. Es war Material einer Überwachungskamera. Sie war aus dem Haus seines Vaters. Das hatte er vergessen. Zum ersten Mal fühlte er sich unterlegen, ein unerträgliches Gefühl.
»Herr Köhn, ich schenke Ihnen das Handy mitsamt den darauf befindlichen Daten. Ich muss Ihnen nicht sagen, dass wir imBesitz diverser Kopien sind. Wir melden uns bezüglich der Übergabe bei Ihnen. In einer Stunde wollen wir ein perfektes Video von der Exfrau meines Lebensgefährten haben. Ach ja …« Sie drückte mit dem Zeigefinger auf ihr rechtes Ohr. »… Sie sollten Ihrer Lebensgefährtin gegenüber etwas spendabler sein. Sie friert nämlich gerade ein wenig. Aber wer geht bei dieser Kälte schon ohne Skiunterwäsche aus dem Haus? Oder hatten Sie heute noch etwas vor?«
Regina erhob sich und verließ in langsamem Tempo den Friedhof. Arwed Köhn rannte, kaum dass sie das Tor durchschritten hatte, zu den hinteren Gräberfeldern. Sie hatten Clara Ridder mit einem Kabel an das Eisenkreuz eines verstorbenen Gastwirts gebunden. Pelzmantel und Mütze waren um und auf die steinerne Figur des heiligen Sankt Martin drapiert worden.
»Keine schlechte Idee«, fand Köhn, bevor er sie befreite.
Doorn, Niederlande, 25. 12., 07.45 Uhr
Der Himmel war eisgrau. Die Felder, die hier bis zum Horizont reichten, waren von Schnee und Eis überzogen. Auf den Kanälen fuhren die Menschen Schlittschuh. Lachen schallte herüber. Alles war friedlich. Jan war in eine muffig riechende Decke gehüllt und hielt einen heißen Kakao in den Händen. Aus seinem Smartphone, das er in einen Verstärker gestellt hatte, erklang ein Werk von Händel für Oboe in G-Moll. Er hatte Händel oft bei Operationen gehört.
Gestern Abend hatten sie den Bauernhof südlich der kleinen Stadt Doorn in Holland erreicht. Natürlich hatte der Russe ihnen das Videomaterial mit dem Mord an Heinrich Köhn nicht in die Hände gegeben. Das war sein Druckmittel – sowohl Köhn junior als auch ihnen gegenüber. Timoschenko hatte ihnen aber bei Emmerich am Rhein Schlauchboote besorgt, mit denen sie dann in der Nacht über den eiskalten Strom Richtung Westen fuhren. Die niederländische Armee sowie die Polizei konntenschon längst nicht mehr die gesamte Grenze rund um die Uhr überwachen. So waren sie zu fünft in dem Zodiac bis weit auf holländisches Gebiet gekommen, ehe vier von ihnen völlig verfroren und nass vom Spritzwasser über die Wiesen zu dem Bauernhaus laufen mussten. Ihnen war klar, dass das Schlauchboot mit einem Sender versehen war, und so war Elijah noch drei Kilometer stromaufwärts gefahren, hatte das Boot auf der anderen Rheinseite befestigt und war zu Fuß zurückgekommen. Das Gehöft lag nur wenige Hundert Meter entfernt vom Rhein, der hier von Osten aus Deutschland kommend gemächlich auf Rotterdam zufließt, wo er in die Nordsee mündet. Elijah hatte ihre Schlafstatt besorgt. Ein Freund aus einer holländischen
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