Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
war,quälte er sich mit einer Erkältung herum, was ihm gerade jetzt zu schaffen machte. Direkt vor seinem Gesicht prangte ihr Dekolleté. Er konnte trotz seiner verstopften Nase ihre Hautcreme riechen. Kaum klebte das Pflaster an seiner Stirn, drängte er sich an ihr vorbei.
»Also, dann können wir ja jetzt ins Museum gehen.«
Regina sah ihm belustigt nach, während er im Flur hastig seinen Mantel überzog und noch einmal schnell ein Taschentuch benutzte und es in eine volle Mülltüte warf, die sie mit nach unten nehmen wollten. Europäer, dachte er, bewahren ihre benutzten Taschentücher immer in ihren Jacken- oder Hosentaschen auf. Das war unvorstellbar für einen Orientalen. Nasensekrete waren unrein, man bewahrte sie nicht am Körper auf. Die Leute hier mussten noch viel lernen.
Gestern waren sie am frühen Morgen mit dem letzten Zug von Dresden über Prag nach Wien gereist. Die Kontrollen an den Bahnhöfen in Tschechien waren nervenaufreibend gewesen. Immer wieder wurden Flüchtlinge mit deutscher Nationalität aus den Zügen geholt. Nur ihre österreichische und seine syrische Herkunft bewahrte sie vor dem Schicksal all der deutschen Flüchtlinge, die sofort wieder auf deutschen Boden zurückgeschickt wurden. Dort untersagten die deutschen Behörden eine Rückreise, und man brachte sie in riesigen Sammellagern außerhalb Dresdens unter.
Am Abend hatten sie dann erschöpft den Wiener Westbahnhof erreicht. Die Bahnsteige waren mit Sicherheitskräften abgeriegelt. Auch hier wurden sie erst durch einen langen Kordon des österreichischen Bundesheeres geführt und dann an zentralen Anlaufstellen auf dem Bahnhofsvorplatz auf Pocken hin untersucht. Ausgerechnet dort rief sie Arwed Köhn an, um sich auf den neuesten Stand bei der Suche nach Almut zu bringen.
»Ich verstehe Sie ja, Herr Köhn«, hatte Regina mit mühsam unterdrückter Wut in der Stimme gesagt, »aber angesichts der widrigen Umstände in Deutschland konnten wir erst jetzt nach Wien kommen. Ich bin sicher, dass wir hier mehr erfahren als Ihre Leute.«
Sie konnte sich den letzten Seitenhieb nicht verkneifen. Nichts war ihr mehr zuwider als eine permanente Kontrolle ihrer Ermittlungen. Sie hatte ihre eigene Methode, und das sollte auch dieser reiche Sexmaniac vom Tegernsee verstehen.
Sie schliefen in Reginas Wohnung, die glücklicherweise nicht weit entfernt von der Kunstakademie in einer Seitengasse der Mariahilfer Straße lag. Österreich war von der Epidemie in Deutschland nicht unberührt geblieben. Zu nah lag die Alpenrepublik an dem großen Nachbarn im Norden. Die gewohnten Warenlieferungen der deutschen Lebensmittelkonzerne blieben nun schon seit mehreren Tagen aus. Die Supermärkte, Kaufhäuser und Restaurants mussten sehr schnell auf Lieferungen anderer EU -Staaten umstellen. Aber die blieben an den Grenzstationen in riesigen Staus hängen. Ein Dilemma entstand. Einerseits war das Land auf Einfuhren angewiesen, andererseits wollte die Regierung die Bevölkerung vor Infizierten schützen. Das Bundesheer hatte zwar strikte Anweisungen erhalten, wirklich jeden Meter Grenze abzuriegeln, aber dennoch kam es immer wieder zu Übertritten und Erkrankungen. Vor allem grenznahe Städte wie Salzburg, Innsbruck und Linz waren betroffen. Dort herrschten in den Auffanglagern und Krankenhäusern Verhältnisse, wie man sie sonst nur aus Katastrophengebieten der Dritten Welt kannte. Die Einwohner der Städte forderten schon jetzt von ihren Bürgermeistern und Landeshauptmännern eine Räumung der Lager und eine Abschiebung der Infizierten nach Bayern.
Wien blieb noch weitestgehend von Infizierten verschont. Die schiere Angst der Menschen wie auch die Knappheit der Waren wurden aber auch hier langsam sichtbar. Wirklich jeder trug, sobald er seine eigenen vier Wände verlassen musste, Mundschutz und Handschuhe. Viele Ladeninhaber hatten ihre Geschäfte geschlossen, teils, weil die Kundschaft ausblieb, teils, weil das Personal schlichtweg nicht zur Arbeit erschien. Binnen weniger Tage waren die Supermärkte leer gekauft worden. Die Gesundheitsämter versuchten mit gezielten Maßnahmen, zur Beruhigung der Massen beizutragen. Überall wurde an zentralen Anlaufstellen geimpft, obwohl mittlerweile aus Deutschland dasGerücht durchgesickert war, dass die Impfstoffe weitgehend wirkungslos waren.
Faruk hatte, während Regina noch schlief, die Wohnung verlassen, um fürs Frühstück einzukaufen. Ein schwarzer metallener Fahrstuhl brachte ihn quietschend ins
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