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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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ich gehöre nicht zu denen, die jemanden umbringen, bloß weil er ihnen deutlich die Meinung sagt.«
    »Ihr seid viel besser als Euer Ruf.« Wieder klimperte sie mit den Wimpern.
    »Aber immer noch ein Halsabschneider.«
    »Jetzt seid Ihr wieder überempfindlich.«
    »Seht Ihr, jetzt habt Ihr mir Bescheid gestoßen und ich habe nicht zum Dolch gegriffen. Und ich werde mich bessern.«
    Sie lächelte und er lachte, und ein weiterer Schritt war getan in die Winkel ihres verwirrten Herzens.

    Kleist brachte Simon und Koolhaus bei, wie man einen Pfeil mit Gänsefedern versieht. Gerade schlug Simons dritter Versuch fehl, und das brachte ihn so in Wut, dass er den Pfeil zerbrach und die beiden Enden in die Zimmerecke warf. Kleist schaute ihn ruhig an und hieß Koolhaus zu übersetzen.
    »Wenn du das noch einmal machst, Simon, kriegst du einen Tritt in die Klöten.«
    »Klöten?«, fragte Koolhaus nach, um sein Missfallen über diese raue Sprache zu zeigen.
    »Ihr seid doch so schlau, das kriegt Ihr allein heraus.«
    »Rate mal, was ich hier unten im Keller gefunden habe«, sagte Vague Henri, der freudestrahlend ins Zimmer hereingestürzt kam.
    »Wie um Himmels willen soll ich wissen, was du im Keller gefunden hast?«, sagte Kleist, ohne die Augen von seiner Arbeit zu heben.
    Vague Henri ließ sich dadurch nicht seine Freude schmälern. »Überzeug dich selbst.« Er strahlte so über beide Ohren, dass Kleist schließlich neugierig wurde. Henri führte alle in den Palastkeller und dort einen dunklen Gang entlang bis zu einer Tür. Er öffnete sie mit Mühe, und dann traten sie in eine Zelle, die nur durch ein schmales Fenster von oben Licht bekam.
    »Ich habe mich mit einem alten Soldaten unterhalten«, berichtete Henri. »Er hat mir seine Anekdoten aus dem Krieg – übrigens sehr interessante – erzählt. Unter anderem erwähnte er einen Spähtruppeinsatz, der ihn vor fünf Jahren in die Scablands führte. Der Trupp war auf Suche nach Guerriern und stieß zufällig auf einen Trosswagen der Erlöser, der den Anschluss zum Haupttross verloren hatte. Die zwei Mönche, die daneben standen, schickten sie in die Wüste, den Wagen nahmen sie mit.« Er ging zu einer Plane und zog sie beiseite. Darunter lag eine umfangreiche Devotionaliensammlung: heilige Galgen in unterschiedlicher Größe und Ausführung, Figuren der heiligen Schwester des Gehenkten Erlösers, die angedunkelten Zehen und Finger verschiedener Märtyrer in aufwändig verzierten Futteralen. In einem befand sich sogar eine Nase, wenigstens erkannte Vague Henri sie als solche, soweit das nach über siebenhundert Jahren überhaupt möglich war. Zu den Reliquien zählten auch der rechte Vorderarm des heiligen Stephanus von Ungarn sowie ein gut erhaltenes Herz.
    Koolhaus sah Vague Henri fragend an. »Was ist das? Ich verstehe das nicht.«
    Vague Henri hielt ein zu drei Vierteln gefülltes Fläschchen in die Höhe und las das Etikett: »Das ist >heiliges Öl, das aus dem Sarg der heiligen Walburga getropft ist<.«
    Kleist wurde ungehalten, der Anblick der Reliquien hatte bei ihm schlimme Erinnerungen geweckt. »Du hast uns doch wohl nicht wegen dieses Krimskrams in den Keller geführt?«
    »Nein.« Er trat zu einer kleineren Plane und diesmal lüftete er sie wie ein Zauberkünstler.
    Kleist lachte. »Gut, jetzt hast du bei mir wieder einen Stein im Brett.«
    Vor ihnen auf dem Boden lag eine Ansammlung verschiedener Armbrustmodelle. Vague Henri interessierte sich für dasjenige mit Zahnstangenvorrichtung. »Schau dir mal diese Armbrust an. Damit könnte man Eindruck machen. Und die hier...« Er nahm ein Modell mit einem Magazinfach. »Das muss eine Repetierarmbrust sein. Ich habe nur davon gehört, aber noch nie eine gesehen.«
    »Das sieht aus wie Kinderspielzeug.«
    »Die probieren wir aus, aber dazu muss ich erst Bolzen anfertigen lassen. Die Armbrüste hier haben alle keine Bolzen. Die Materazzi haben sie wahrscheinlich liegen lassen, weil sie nicht wussten, wozu man so etwas braucht.«
    Simon machte Koolhaus Zeichen.
    »Er macht sich Gedanken über das, was du über Henri gesagt hast.«
    Kleist machte ein verdutztes Gesicht. »Ich habe doch gar nichts gesagt.«
    »Du hast etwas von >Stein im Brett< gesagt. Du sollst dich bei ihm entschuldigen, sonst tritt er dich in die Klöten.«
    Simon missverstand leicht den Jargon, den die Jungen untereinander gebrauchten. Als er noch nicht mit ihnen zusammen war, kannte er nur grobe Beleidigungen oder hemmungslose

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