Die Liste der vergessenen Wünsche: Roman (German Edition)
»Toddelmechtel« gehabt hatten. »Danke, dass du mir die Wahrheit gesagt hast. Danke! « Dann lehnte sie sich, die Arme noch immer um Todds Hals geschlungen, zurück, damit sie ihm direkt in die Augen schauen konnte. »Und danke auch, dass du keinen Verkehr mit mir hattest.«
»Gern geschehen«, erwiderte er. Dann dachte er noch mal darüber nach und schob hinterher: »Oder auch nicht.«
Juni
27
Es war noch nicht allzu lange her, da hatte Clara, ohne zu wissen, welcher Tag oder welcher Monat gerade war, in den Spiegel schauen können und hatte keine Ahnung gehabt, wer sie war oder wo sie war. In ihrer Gleichgültigkeit und Apathie war das Nichts zu ihrer täglichen Routine geworden. Doch als sie sich nun in dem kleinen Spiegel ihrer Puderdose betrachtete, nachdem sie Sonnencreme auf ihr Gesicht aufgetragen hatte, war sie vollkommen präsent und sogar ein wenig aufgeregt. Sie wusste, sie war eine erwachsene Frau, die sich den Traum einer Zehnjährigen erfüllte, und dass sie auf dem Beifahrersitz eines schwarzen Mietcabrios saß und ihr der Wind durch die Haare fuhr auf ihrer Reise nach Wisconsin Dells mit Lincoln. Sie wusste auch, dass es der zweite Freitag im Juni war. Und da sie Lincoln ziemlich gut kannte, wusste sie außerdem, dass er etwas im Schilde führte, denn er war ungewöhnlich schweigsam, und auf seinem Gesicht lag ein angestrengt nachdenklicher Ausdruck.
»Zu schade, dass es zwischen Leo und Ava nicht geklappt hat«, verkündete er, als sie gerade an einer skurrilen Plakattafel mit einer Werbung für Freds Fischerei & Feuerwerksbedarf (Das Beste, was der Käsestaat zu bieten hat!) vorbeifuhren. »Es wäre lustig gewesen, wenn sie mitgekommen wären.«
»Finde ich auch«, seufzte Clara und versuchte, sich keine Sorgen um ihren Bruder zu machen, der nun wieder Single war. Er hatte seine holprige Beziehung mit Ava ein paar Wochen zuvor beendet und damit Claras Theorie befeuert, dass er unter ernstzunehmenden Beziehungsängsten litt. Sie verstand nicht, warum, aber aus irgendeinem Grunde hüpfte Leo von einem flüchtigen Flirt zum nächsten, als wolle er sich das Geschenk einer echten, vertrauten, emotionalen Bindung mit einem festen Partner versagen. Erst kürzlich hatte Clara versucht, mit ihrem Bruder über dieses beunruhigende Muster zu reden, doch der hatte bloß in einem Ton, der jede weitere Diskussion im Keim erstickte, gesagt, das Ganze sei »keine große Sache« und »nicht der Rede wert. Schluss, aus, Ende.«
»Meg und ich haben uns getrennt«, sagte Lincoln in demselben beiläufigen Ton, wie jemand sagen würde: »Ich hatte Tacos zu Mittag.«
»Meinst du, wir sollten anhalten für etwas Fischerei- und Feuerwerksbedarf?«, fuhr er dann übergangslos fort.
Clara war sich sicher, ihn missverstanden zu haben – bei dem »Oldies but Goldies«-Gedudel aus dem Radio, dem Wind und so. »Moment. Was hast du gerade gesagt?«
»Na ja, man weiß ja nie, wann man Angelhaken und Feuerwerkskörper noch mal brauchen kann.«
» Lincoln .« Clara warf ihm einen Blick zu.
»Tja.« Er zuckte mit den Schultern und starrte geradeaus auf die Landstraße. »Ich hätte schwören können, dass ich dir erzählt habe, dass Meg zurück nach Minneapolis gezogen ist, um wieder mit Roy, ihrem Exverlobten, zusammen zu sein.«
» Roy? « Verblüfft sowohl über die unerwartete Neuigkeit als auch die beiläufige Art, mit der er sie verkündete – gerade als wäre die Sache nicht der Rede wert –, fragte Clara nach: »Ihr Exverlobter ? Wovon redest du, Linc? Willst du mich veräppeln?«
Lincoln versicherte ihr, dass keinerlei Äpfel im Spiel waren, und erzählte ihr, wie Meg Roy zufällig in der Drogerie über den Weg gelaufen war, als sie ihre Schwester für die Babyparty in Minneapolis besuchte, und es sofort wieder zwischen den beiden gefunkt hatte. Offenbar hatten sie die nächsten vier Tage hinter verschlossenen Türen auf Roys Ranch verbracht und waren sich danach einig darüber, dass – wie Meg es ausdrückte – sie »das Schicksal wieder zusammengebracht« hatte und dass man eine Liebe wie ihre nicht verleugnen konnte. »Meg ist ein toller Mensch«, stellte Lincoln fest. »Sie hat mir schon von Roy erzählt, als wir uns kennengelernt haben. Ich nehme ihr das nicht übel.«
»Wirklich nicht?«
»Wenn überhaupt, fühle ich mich ein wenig schuldig, weil es mir nicht mehr ausmacht.«
»Aber ich habe gedacht, ihr kommt wunderbar miteinander aus«, sagte Clara, völlig durcheinander. Mit so etwas hatte
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