Die Liste der vergessenen Wünsche: Roman (German Edition)

Reifen vor ihr trieb und sie am Fuß packte und kitzelte, aus ihren Tagträumen gerissen. Sie zuckte erschrocken zusammen.
    »Tut mir leid«, sagte er lachend, ohne jedoch ihren Zeh loszulassen. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Clara fasste sich, nach Luft schnappend, an die Brust, lächelte und fragte: »Entschuldige … was hast du gesagt?«
    »The Plunge, den Kopfsprung«, wiederholte Lincoln und bewegte die Augenbrauen auf und ab, während er zum Nordende des Spaßbades zeigte. »Bist du bereit dafür?« Er redete von der höchsten, steilsten und unbestritten furchterregendsten Rutsche des ganzen Spaßbads: eine altmodische, extrem steile Rutschbahn, »zehn Stockwerke hoch und fünf Sekunden runter«. The Plunge forderte die Waghalsigsten aller nach Nervenkitzel Gierenden heraus: »Bist du mutig genug, dich kopfüber hineinzustürzen?«
    Obwohl sie ziemlich abenteuerlustig war, war Clara sich nicht sicher, ob sie hierfür wirklich den Mumm hatte. »Oh, Gott«, sie schluckte. »Ich weiß nicht, Linc. Sieht ziemlich Furcht einflößend aus.«
    »Komm schon!«, versuchte er sie zu überreden. »Das könnte eine einmalige Gelegenheit in unserem Leben sein. Was würde Walt Whitman dazu sagen?«
    Wohl wissend, dass Lincoln recht hatte, tauchte sie die Hand in den Endless River und spritzte Lincoln Wasser ins Gesicht. »Er würde sagen: Jetzt Reisender, gehen wir erst mal in die Spielhalle, bis ich all meinen erbärmlichen Mut zusammengerafft habe .«
    Nach einem kurzen Ausflug in eine der drei klassischen Spielhallen des Bads, in der es auch Claras Lieblingscomputerspiel Pac-Man gab, und einer rauen Fahrt im Wasser-Autoscooter gingen Clara und Lincoln zur Heiligen Mutter aller Wasserrutschen – dem Kopfsprung.
    Während der fünfundzwanzigminütigen Wartezeit in der Schlange schlug Claras nervöser Magen Purzelbäume, und ihre Angst wuchs mit jedem durchdringenden Schrei derjenigen, die sich die unfassbar steile Bahn hinunterstürzten. Als sie sich an das Hochsteigen der zehnstöckigen Holztreppe machten, kamen sie an einem bedrohlichen Schild vorbei, das sie in fetten Lettern warnte: » Ab hier kein Umkehren mehr möglich! Zu Ihrer eigenen Sicherheit ist es verboten, die Treppe wieder hinunterzusteigen!«
    »Kein Problem«, murmelte Clara Lincoln zu. »Ich schaffe das.«
    Erst als sie ganz oben an der Treppe angekommen war und von einem Helfer – einem jungen Mann, der aussah wie David Beckham – gefragt wurde, ob sie mit den Füßen oder dem Kopf voraus rutschen wolle, erstarrte Clara vor Angst und stotterte: »Ich … schaffe das!«
    »Klar schaffen Sie das.« Der Helfer, der dieses PRZ (Prä-Rutsch-Zögern, wie es unter Angestellten des Spaßbads genannt wurde) gewohnt war, grinste sie ermutigend an. »Ich verspreche Ihnen, es wird ein Riesenspaß. Und nach fünf mickrigen Sekunden ist alles auch schon wieder vorbei. Bäm!« Er klatschte in die Hände. »Also, wie hätten Sie’s gerne?« Er machte eine Kopfbewegung zur Rutschmatte. »Mit den Füßen oder dem Kopf voraus?«
    Clara biss sich sichtbar zitternd auf die Lippe, starrte die Rutsche an – zehn laaaange Stockwerke hinunter – und schüttelte den Kopf. »Nee! Keine Chance, Leute. Das ist total irre !« Sie wirbelte herum und wollte zur Treppe zurück.
    »Tut mir leid. Das geht nicht.« Der flinke Helfer machte einen Satz zur Seite und versperrte ihr mit seinem gebräunten, muskulösen Arm den Weg.
    »Das ist überhaupt nicht schlimm, C. J.«, sagte Lincoln, dem sie offensichtlich leidtat in ihrer Angst. »Das wird lustig ! Komm …«, er trat vor sie. »Fühlst du dich besser, wenn ich als Erster rutsche, damit du siehst, dass gar nichts dabei ist?«
    »Nein!« Clara packte seine Hand, ihre Knie schlackerten, als sie ihn anflehte: »Lass mich nicht allein hier oben! Bitte! Ich kann das nicht! «
    Plötzlich fing ein kleines Mädchen mit schwarzen Zöpfen, das mit seinem Vater hinter Clara in der Schlange stand, an zu kreischen: »Ich kann das auch nicht, Papa! Ich will runter! Ich will sofort runter!« Sie fing zu weinen an.
    »Gute Frau, ich weiß, dass Sie nervös sind«, griff nun der gut trainierte Helfer ein, »aber die Treppe ist nass und rutschig, und es ist zu gefährlich, als dass ich Sie wieder da runtergehen lassen könnte. Kommt überhaupt nicht in Frage! Also werden Sie sich jetzt auf diese Matte hier legen und …«
    »Und was?«, unterbrach ihn Clara mit schriller werdender Stimme. » Mich runterstürzen? Sicher nicht, mein