Die Liste der vergessenen Wünsche: Roman (German Edition)
glaubst.«
Lincoln stellte sein Glas wieder ab. »Ich habe immer an dich geglaubt, C. J.« Dann fing er an, mit dem Knöchel leicht auf den Tisch zu trommeln.
Clara nippte an ihrem Drink und bewunderte die Kunstfertigkeit und die Sorgfalt, die in die Gestaltung der Bar geflossen waren. Früher war die Ahornburg immer einer ihrer Lieblingsorte gewesen – ihr ganz eigener Platz, an dem sie Zuflucht suchen konnte, wenn sie einmal mit ihren Gedanken allein sein wollte. Und über die Jahre war ihr der weise alte Baum, der die Burg beherbergte, ein teurer Freund geworden. So in Gedanken über die beiden schönen Bäume versunken, brauchte Clara ein paar Augenblicke, bis sie merkte, dass Lincoln noch immer mit den Fingerknöcheln auf dem Tisch herumtrommelte. Und es dauerte noch ein paar Augenblicke länger, bis ihr auffiel, dass das rhythmische Klopfen ihr irgendwie bekannt vorkam. »Warte mal …« Sie kniff konzentriert die Augen zusammen, beugte sich leicht nach vorne, hörte genauer hin und beobachtete Lincolns Tun.
Er schaute ihr in die Augen und klopfte weiter auf den Tisch.
Da machte sich ein Lächeln auf Claras Gesicht breit, und ihr stand vor Staunen der Mund offen. » Linc! Du kannst Morsezeichen?«
»Und du anscheinend auch«, erwiderte er. »Ich hab dir doch gesagt, dass du den Dreh bald raushast.«
»Na ja, dank ›Morsezeichen für Dummies‹.« Nachdem Clara das dicke gelbe Buch zwei Wochen lang studiert hatte, konnte sie den Punkt Morsezeichen lernen auf ihrer Zeitkapsel-Liste mit einem dicken roten Stift durchstreichen. Anscheinend hatte sie mehr davon behalten, als sie gedacht hatte.
»Also?«, hakte Lincoln nach. Klopfend wiederholte er seine Frage noch einmal.
»Ähm«, sie zögerte, »also …« Dann straffte sie sich, konzentrierte sich und antwortete ihm langsam mit einer Reihe von Klopfzeichen, die sie mit Bedacht setzte.
»Ich habe gehofft, dass du das sagst.« Lächelnd erhob sich Lincoln und hielt ihr die Hand hin.
»Aber ich warne dich«, sie stand auf, »ich tanze grottenschlecht.«
»Dann sind wir ja schon zu zweit«, sagte er und führte sie auf die Tanzfläche, wo ein paar vereinzelte Paare zu einer luftigen Interpretation von »Embraceable You« tanzten.
»Ich bin so ungeschickt, es wäre kein Wunder, wenn ich über meine eigenen Beine falle«, gab sie mit einem Grinsen zu bedenken.
»Das ist mir auch schon passiert«, flüsterte er ihr ins Ohr, und ein wohliger Schauer ging durch Claras Körper und verdichtete sich in ihrer Magengegend zu Baiser oder etwas Ähnlichem.
Sie tanzten eng umschlungen einen Song lang, bevor die Band verkündete, sie mache nun eine »kurze Pause von fünfzehn Minuten«, und Lincoln und Clara nach einem unvergesslichen Tag voller Baden, Abenteuer, Oak Cars und Morsezeichen völlig erschöpft ins Chippewa Inn zurückkehrten.
Als sie im Wohnbereich ihrer gemütlichen Suite standen, wünschten sie sich mit einer langen Umarmung eine gute Nacht, so wie sie es auch schon am Abend zuvor getan hatten. Bloß dass Claras wild klopfendes Herz diesmal zu flattern begann, als sie das Ende der Umarmung, so lange sie konnte, hinauszögerte und insgeheim hoffte, Lincoln würde sie vielleicht einfach nicht mehr loslassen. Aber schließlich löste er sich zu ihrer Enttäuschung von ihr. Er ließ die Arme schlaff sinken.
Clara musste sich einen enttäuschten Blick verkneifen. »Also …«, sie sah lächelnd zu ihm auf und stand noch immer so dicht vor ihm, dass sie den leichten Sandelholzduft, den sein Körper verströmte, riechen konnte. »Dann sagen wir jetzt wohl gute Nacht.«
»Sieht so aus.« Lincoln blickte sie voll Sehnsucht an, ohne sich jedoch zu rühren.
»Also dann.« Sie spürte Verlangen in sich aufsteigen und musste der Versuchung widerstehen, über ihn herzufallen.
»Gute Nacht«, flüsterte er.
»Schlaf gut.« Sie drehte sich um und ging langsam zu ihrem Schlafzimmer. Sie sagte sich, dass es völlig lächerlich sei, enttäuscht zu sein, weil Lincoln nicht den ersten Schritt gemacht hatte. Natürlich hatte er das nicht. Was hatte sie denn erwartet? Schließlich waren sie, wie sie es Tabitha gegenüber immer wieder beteuert hatte, Freunde. Bloß Freunde . Das »F«-Wort. Abgesehen davon, rief sich Clara zur Ordnung, musste, dass sie sich überraschenderweise und völlig unerwartet plötzlich mehr und mehr zu ihm hingezogen fühlte, noch lange nicht heißen, dass er diese Gefühle auch erwiderte. Ganz und gar nicht. Vielleicht hatte er etwas
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