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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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fast in Ohnmacht. Es gelang ihm, seinen Namen zu stammeln, dann griff er in eine Tasche, wo er sein Redemanuskript fand. Lesen war nicht seine Stärke, aber in zehn endlosen Minuten gelang es ihm, den Anstieg der Kriminalität, den kürzlichen Mordprozess und den Heckenschützen zu erwähnen. Er mochte keine Mörder, und gegen Heckenschützen hatte er eine ganz besondere Abneigung, deshalb würde er uns gern vor ihnen beschützen.
    308

    Der Applaus blieb dünn, nachdem er geendet hatte. Aber zumindest war er gekommen. In den fünf Bezirken bewarben sich zweiundzwanzig Kandidaten als Constable, doch nur sieben hatten den Mut gehabt, sich der Menge zu stellen. Als wir endlich die Constables und Friedensrichter hinter uns gebracht hatten, spielten Woody Gates und die Country Boys ein paar Bluegrass-Stücke. Die Menge war dankbar für die Pause.
    Auf dem Rasen vor dem Gericht wurden Speisen und Getränke serviert. Der Lions-Klub verteilte kostenlose gekühlte Wassermelonenschnitze. Die Damen vom Gartenklub verkauften selbst gemachte Eiscreme.
    Mitglieder des Jaycee-Wohltätigkeitsverbands grillten Spareribs. Die Menge suchte unter den uralten Eichen Schutz vor der Sonne.
    Mackey Don Coley hatte Ende Mai seine Kandidatur für das Amt des Sheriffs erklärt. Er hatte drei Gegenkandidaten, deren populärster ein Beamter der Stadtpolizei von Clanton war. Als Mr Beets verkündete, es sei Zeit für die Bewerber um das Amt des Sheriffs, wagten sich die Wähler aus dem Schatten und sammelten sich um den Anhänger.
    Freck Oswald bewarb sich bereits zum vierten Mal. Bis jetzt war er immer weit abgeschlagen auf dem letzten Platz gelandet, und es sah so aus, als würde sich daran nichts ändern. Aber er schien seinen Auftritt zu genießen.
    Er mochte Präsident Nixon nicht und fand harte Worte für dessen Außenpolitik, besonders hinsichtlich der Beziehungen zu China. Die Menge lauschte, wirkte aber ein wenig verwirrt.
    Tryce McNatt bewarb sich zum zweiten Mal. Er begann seine Rede mit dem Satz »China interessiert mich einen Scheißdreck«. Das fand ich ganz witzig, aber auch dumm.
    Dass er in der Öffentlichkeit, in Gegenwart von Damen, 309

    fluchte, würde ihn viele Stimmen kosten. Tryce nannte es
    »unerträglich«, wie Kriminelle vom System verhätschelt wurden. Er war dagegen, dass in Ford County ein neues Gefängnis gebaut wurde – das war eine Verschwendung von Steuergeldern! Er wollte harte Urteile und richtige Zuchthäuser. Häftlinge sollten aneinander gekettet und zur Arbeit gezwungen werden.
    Ich hatte nichts von einem neuen Gefängnis gehört.
    Angesichts des Kassellaw-Mordes und der Randaliererei von Hank Hooten kam Tryce zu dem Schluss, dass die Verbrechen in Ford County außer Kontrolle geraten waren. Wir brauchten einen neuen Sheriff, einen, der die Bösen jagte und sich nicht mit ihnen anfreundete. »Lasst uns im County aufräumen!« war sein Slogan. Die Menge pflichtete ihm bei.
    T. R. Meredith war seit dreißig Jahren als Gesetzeshüter tätig und ein erbärmlicher Redner, aber, wie Atcavage sagte, mit der Hälfte des County verwandt. Atcavage kannte sich mit diesen Dingen aus, weil er mit der anderen Hälfte verwandt war. »Eine Stichwahl gewinnt Meredith mit einem Vorsprung von tausend Stimmen«, prophezeite er, was eine hitzige Diskussion unter den Gästen auslöste.
    Zuletzt kam Mackey Don Coley. Er war seit 1943
    Sheriff und bat um lediglich eine weitere Amtszeit. »Das sagt er seit zwanzig Jahren«, meinte Atcavage. Coley schwafelte von seiner Erfahrung und davon, wie gut er das County und seine Menschen kenne. Als er geendet hatte, erhielt er höflichen, aber nicht gerade ermutigenden Applaus.
    Zwei Herren bewarben sich um das Amt des Steuereinnehmers, zweifellos die unbeliebteste Position im County.
    Während ihrer Reden zerstreute sich die Menge, um sich mit Eiscreme und Wassermelonen einzudecken. Ich ging 310

    zur Kanzlei von Harry Rex, wo auf dem Bürgersteig ebenfalls eine Party gefeiert wurde.
    Die Reden dauerten den ganzen Nachmittag. Es war der Sommer des Jahres 1971, und mittlerweile waren in Vietnam mindestens fünfzigtausend junge Amerikaner getötet worden. Anderswo im Land hätte sich eine solche Versammlung in eine wütende Demonstration gegen den Krieg verwandelt. Die Politiker wären durch Zwischenrufe daran gehindert worden, ihre Reden zu beenden. Flaggen und Einberufungsbescheide wären verbrannt worden.
    Aber an jenem 4. Juli in Clanton wurde Vietnam mit keinem Wort erwähnt.
    Ich

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