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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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wollte wissen, wie es dem »armen Mr Hank Hooten«
    ging, an den sie sich vom Prozess her noch gut erinnerte, obwohl er nie mit den Geschworenen gesprochen hatte. Er saß inzwischen in einer Gummizelle, und da würde er auch noch eine Weile bleiben.
    Das Restaurant füllte sich schnell. »Seid ihr fertig? Dann ist es Zeit zu gehen«, sagte Claude, als er mit einer Ladung Teller vorbeikam. Miss Callie gab sich beleidigt, aber Claude war berühmt dafür, dass er seine Gäste hinauskomplimentierte, sobald sie aufgegessen hatten.
    Wenn am Freitag ein paar Weiße zum Barbecue kamen und das Lokal voll war, stellte er seinen Gästen einen Wecker auf den Tisch und verkündete laut: »Ihr habt 305

    zwanzig Minuten.«
    Miss Callie tat so, als hätte ihr das Ganze nicht gefallen
    – der Ausflug überhaupt, das Restaurant, das billige Tischtuch, Claude, die Preise, die vielen Leute, einfach alles –, aber das war nur Theater. Insgeheim genoss sie es, von einem gut gekleideten jungen Weißen zum Essen ausgeführt zu werden. Das hatte noch keine ihrer Freundinnen erlebt.
    Als ich sie in Lowtown vorsichtig aus dem Auto zog, griff sie in ihre Handtasche und holte einen kleinen Zettel hervor. In dieser Woche hatte sie nur zwei Tippfehler gefunden, merkwürdigerweise beide bei den Kleinanzeigen, für die Margaret Wright zuständig war.
    Ich brachte sie zum Haus. »War doch gar nicht so schlecht, oder?«, fragte ich.
    »Mir hat es großen Spaß gemacht. Danke! Kommen Sie nächsten Donnerstag?« Das fragte sie mich jede Woche.
    Meine Antwort war stets dieselbe.
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    27
    m 4. Juli herrschten gegen Mittag Temperaturen um die vierzig Grad, und di
    A
    e Luftfeuchtigkeit war
    unerträglich hoch. Die Parade wurde vom Bürgermeister angeführt, obwohl der gegenwärtig für kein Amt kandidierte. Die Staatsregierung wurde 1971 gewählt. Im selben Jahr fanden auch die Kommunalwahlen statt, während 1972 das Jahr der Präsidentschaftswahlen war.
    Die Richter wurden 1973 gewählt, die Gemeinderäte 1974. Die Bürger von Mississippi gingen fast so gern zu den Urnen wie zum Football.
    Der Bürgermeister saß auf dem Rücksitz einer 1962er Corvette und warf den Kindern, die sich auf den Bürgersteigen rund um den Clanton Square drängten, Süßigkeiten zu. Hinter ihm folgten die Kapellen der Highschools von Clanton und Karaway, die Pfadfinder, die Freimaurer, ein neues Feuerwehrauto, ein Dutzend Karnevalswagen, ein berittenes Polizeiaufgebot, Veteranen aus jedem Krieg des zwanzigsten Jahrhunderts, eine Sammlung blitzender neuer Autos aus der Ford-Handlung sowie drei restaurierte John-Deere-Traktoren. Geschworener Nummer acht, Mr Mo Teale, fuhr einen davon. Die Nachhut bildete eine Kolonne von auf Hochglanz polierten Streifenwagen der Stadt- und County-Polizei.
    Ich sah mir die Parade von einem Balkon im zweiten Stock der Security Bank an, wo Stan Atcavage jedes Jahr eine Party gab. Da ich der Bank mittlerweile eine ansehnliche Summe schuldete, war ich eingeladen, Limonade zu schlürfen und mir die Festlichkeiten anzuschauen.
    Aus einem Grund, an den sich niemand mehr erinnern 307

    konnte, waren die Rotarier für die Reden verantwortlich.
    Sie hatten neben dem Wachposten der Konföderierten einen langen Flachbettanhänger geparkt und ihn mit Heuballen sowie roten, weißen und blauen Wimpeln dekoriert. Als die Parade vorüber war, drängte sich die Menge um den Anhänger und wartete gespannt. Eine altmodische Hinrichtung in aller Öffentlichkeit hätte kein erwartungsvolleres Publikum haben können.
    Mr Mervin Beets, Präsident des Rotarier-Klubs, trat ans Mikrofon und hieß alle willkommen. Bei jeder öffentlichen Veranstaltung in Clanton musste gebetet werden, und im neuen Geiste der Aufhebung der Rassentrennung hatte er Reverend Thurston Small, Miss Callies Pastor, eingeladen, den Anfang zu machen. Wenn man Stan Atcavage glauben durfte, waren in jenem Jahr deutlich mehr Schwarze in der Innenstadt als sonst.
    Bei einem solchen Publikum war es Reverend Small unmöglich, sich kurz zu fassen. Mindestens zweimal bat er den Herrn, alles und jeden zu segnen. Rund um das Gerichtsgebäude standen Masten mit Lautsprechern, sodass seine Stimme überall in der Innenstadt zu hören war.
    Erster Redner war Timmy Joe Bullock, ein verschreckter junger Mann aus dem Vierten Bezirk, der Constable werden wollte. Er schlich über den Anhänger wie über eine Schiffsgangway, unter der Haie lauerten, und als er hinter dem Mikrofon stand und auf die Menge sah, fiel er

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