Die Liste
hatte, drohte damit, sein langjähriges Abonnement zu kündigen. Unter anderem schrieb er:
Wenn wir den Kommunismus nicht aufhalten, wird er sich bis in den letzten Winkel der Erde verbreiten.
Eines Tages wird er vor unserer Tür stehen, und unsere Kinder und Enkelkinder werden uns fragen, warum wir ihm nicht Einhalt geboten haben, bevor es zu spät war.
Mr Herbert Gillenwater hatte seinen Bruder im Koreakrieg verloren. Er schrieb:
Sein Tod war eine Tragödie, mit der ich jeden Tag zu kämpfen habe. Aber er war Soldat, ein Held und ein stolzer Amerikaner. Sein Tod hat dazu beigetragen, Nordkorea und seine Verbündeten Rotchina und Russland in Schach zu halten. Wenn wir uns vor dem Kampf fürchten, wird auch unser Land erobert werden.
Mr Felix Toliver aus Shady Grove meinte, ich sei vielleicht zu lange oben im Norden gewesen, wo die Leute bekanntermaßen Angst vor Schusswaffen hätten. Er wies darauf hin, dass die tapferen jungen Männer aus dem Süden beim Militär immer in der Überzahl gewesen seien.
Wenn ich das nicht glauben wolle, brauchte ich nur zu recherchieren. Unter den in Korea und Vietnam Gefallenen seien unverhältnismäßig viele Männer aus den Südstaaten. Er schloss mit den beredten Worten: Unsere Freiheit wurde um den entsetzlichen Preis des Lebens zahlloser tapferer Soldaten erkauft. Aber was, 325
wenn wir aus Angst nicht gekämpft hätten? Hitler und die Japaner wären immer noch an der Macht. Ein Großteil der zivilisierten Welt würde in Trümmern liegen. Wir wären isoliert und würden am Ende vernichtet werden.
Ich hatte vor, jeden Leserbrief abzudrucken, aber ich hoffte, dass ich noch ein oder zwei erhalten würde, die sich positiv über meinen Leitartikel äußerten. Die Kritik berührte mich nicht. Ich war davon überzeugt, dass ich Recht hatte, und hatte eine ziemlich dicke Haut entwickelt, ein großer Vorteil, wenn man Chefredakteur war.
Nach einem Schnellkurs bei Baggy verlor ich beim Poker mit Bubba und dessen Freunden hundert Dollar. Erfreut luden sie mich wieder ein.
Wir waren zu fünft, alle Mitte zwanzig. Drei hatten in Vietnam gedient – Bubba, Darrell Radke, dessen Familie die Propangasfirma gehörte, und Cedric Young, ein Schwarzer mit einer schweren Beinverletzung. Der fünfte Spieler war Bubbas älterer Bruder, David, der wegen seiner schlechten Augen ausgemustert worden und meiner Meinung nach nur wegen des Marihuanas da war.
Wir sprachen viel über Drogen. Keiner der drei Veteranen hatte jemals Pot gesehen oder auch nur davon gehört, bevor er zur Army gegangen war. Drogen in den Sechzigerjahren in Clanton? Sie lachten herzhaft. In Vietnam nahm jeder Drogen. Man rauchte Pot, wenn man sich langweilte und Heimweh hatte, und um in der Schlacht die Nerven zu beruhigen. Die Feldlazarette pumpten die Verwundeten mit den stärksten verfügbaren Schmerzmitteln voll, sodass Cedric bereits zwei Wochen nach seiner Verwundung morphiumsüchtig war.
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Auf ihr Drängen hin erzählte ich ihnen ein paar Drogengeschichten vom College, aber ich war ein Amateur unter Profis. Ich glaube nicht, dass sie übertrieben. Kein Wunder, dass wir den Krieg verloren, wenn alle ständig zugedröhnt waren.
Sie verliehen ihrer Bewunderung für meinen Leitartikel und ihrer tiefen Verbitterung darüber, dass sie nach Vietnam geschickt worden waren, Ausdruck. Jeder der drei hatte Narben davongetragen. Bei Cedric war es offensichtlich, während Bubba und Darreil von einem brennenden Groll erfüllt waren, einer kaum unterdrückten Wut, dem Wunsch, zurückzuschlagen. Aber gegen wen?
Im Laufe des Spiels fingen sie an, Horrorgeschichten über ihre Erlebnisse auf dem Schlachtfeld auszutauschen.
Ich hatte gehört, dass sich viele Soldaten weigerten, über ihre Erlebnisse im Krieg zu sprechen. Diese drei waren anders, für sie war es Therapie.
Sie spielten jeden Donnerstagabend Poker, und ich war immer willkommen. Als ich sie um Mitternacht verließ, tranken sie immer noch, rauchten Pot, redeten über Vietnam. Ich hatte für einen Tag genug vom Krieg.
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n der folgenden Woche widmete ich der Kontroverse, die ich ausgelöst hatte, eine
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ganze Seite. Dort druckte
ich insgesamt siebzehn Leserbriefe ab, von denen nur zwei Sympathien für meine Antikriegshaltung äußerten. Ich wurde als Kommunist, Liberaler, Verräter, Kriegsgewinnler und, das war offenbar das Schlimmste, Feigling beschimpft, weil ich nicht gedient hatte. Jeder Brief war stolz unterzeichnet. In jener Woche gab es
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