Die Liste
Wahnsinn, und von einer Heirat sei unbedingt Abstand zu nehmen, wenn man keinen verblödeten Nachwuchs riskieren wolle. Seine Kinder verehrten ihn und glaubten ihm. Wahrscheinlich waren sie schon an ein gewisses Maß an Verschrobenheit gewöhnt. Keines der Kinder heiratete. Der Sohn, Max Hocutt, war einundachtzig, als er mir die Wohnung vermietete. Die Zwillinge, Wilma und Gilma, waren siebenundsiebzig, Melberta, die Jüngste, dreiundsiebzig und geistig völlig verwirrt.
Ich glaube, es war Wilma, die mich durch das Küchenfenster beobachtete, als ich um Mitternacht die Holztreppe hinabstieg. Auf der untersten Stufe schlief eine Katze und versperrte mir den Weg. Am liebsten hätte ich sie mit einem Fußtritt auf die Straße befördert, aber ich stieg respektvoll über sie hinweg.
In der Garage standen zwei Autos. Eines davon war mein Spitfire – wegen der Katzen mit zugezogenem Verdeck –, das andere ein glänzender schwarzer Mercedes, 39
auf dessen Türen mit roter und weißer Farbe Messer und Scheren gepinselt worden waren. Darunter standen in Grün Telefonnummern. Irgendjemand hatte Mr Max Hocutt einst erzählt, er könne die Kosten eines beliebigen Neuwagens komplett von der Steuer absetzen, wenn er ihn geschäftlich nutze und irgendein Logo auf die Türen male.
Mit dem Kauf des Mercedes hatte er sich in einen Messer-und Scherenschleifer verwandelt. Er behauptete, seine Werkzeuge befänden sich im Kofferraum.
Der Wagen war zehn Jahre alt und hatte nur gut zehntausend Kilometer auf dem Buckel. Dr. Hocutt hatte auch gepredigt, Auto fahrende Frauen seien Sünderinnen, und folglich musste Max den Chauffeur spielen.
Ich steuerte den Spitfire langsam über die Kieseinfahrt und winkte der hinter der Gardine spionierenden Wilma zu. Sie riss den Kopf zur Seite und war nicht mehr zu sehen. Das Gefängnis war sechs Blocks entfernt. Ich hatte ungefähr eine halbe Stunde geschlafen.
Als ich eintraf, wurden Danny Padgitt gerade Fingerabdrücke abgenommen. Das Büro des Sheriffs befand sich im vorderen Teil des Gebäudes, und es wimmelte dort nur so von Deputys, Hilfskräften und Männern von der freiwilligen Feuerwehr. Wer immer eine Uniform besaß oder den Polizeifunk abhören konnte, schien im Augenblick hier zu sein.
Wiley Meek wartete auf dem Bürgersteig auf mich. »Es ist Danny Padgitt!«, sagte er aufgeregt.
Ich blieb kurz stehen und versuchte nachzudenken.
»Wer?«
»Danny Padgitt von der Insel.«
Ich war kaum drei Monate in Ford County und bisher noch keinem Padgitt begegnet. Sie blieben unter sich, wie immer. Aber mir waren verschiedene Versionen ihrer 40
legendären Familiengeschichte zu Ohren gekommen, und es sollten nicht die letzten gewesen sein. In Ford County waren Padgitt-Storys eine beliebte Form der Unterhaltung.
»Als sie ihn aus dem Streifenwagen gezogen haben, hab ich ein paar großartige Schnappschüsse gemacht«, fuhr Wiley fort. »Er war völlig mit Blut verschmiert! Die Fotos werden perfekt! Die Frau ist tot!«
»Welche Frau?«
»Na die, die er umgebracht hat. Und vergewaltigt. Heißt es zumindest.«
»Danny Padgitt«, murmelte ich vor mich hin, als mir klar wurde, was für eine sensationelle Story wir da hatten.
Vor meinem geistigen Auge blitzte bereits die Schlagzeile auf, eine so fette Schlagzeile, wie sie die Times seit vielen Jahren nicht mehr geziert hatte. Der gute alte Spot war vor reißerischen Storys zurückgeschreckt. Und Pleite gegangen. Ich hatte andere Pläne.
Wir bahnten uns den Weg in das Gebäude und suchten nach Sheriff Coley. Während meiner kurzen Zeit bei der Times war ich ihm zweimal begegnet, und sein höfliches und warmherziges Wesen hatte mich beeindruckt. Er nannte mich »Mister« und sagte zu allen »Sir« oder
»Ma’am«, stets mit einem Lächeln auf den Lippen. Da er seit dem Massaker von 1943 im Amt war, ging er schon auf die siebzig zu. Er war groß und hager. Den dicken Bauch, der bei Sheriffs aus dem Süden ansonsten obligatorisch zu sein schien, suchte man bei ihm vergebens. Oberflächlich besehen war er ein Gentleman, und nach meinen beiden persönlichen Begegnungen mit ihm hatte ich mich gefragt, wie ein so höflicher Mann so korrupt sein konnte. Er kam mit einem Deputy aus einem Hinterzimmer, und ich eilte, um ein energisches Auftreten bemüht, auf ihn zu.
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»Nur ein paar Fragen, Sheriff«, sagte ich entschlossen.
Andere Reporter waren nicht vor Ort. Seine Jungs – die echten Deputys, die Aushilfskräfte, die Möchtegerns, der ganze
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