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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Haufen in seinen selbst geschneiderten Uniformen –
    grinsten mich höhnisch an. Für sie war ich immer noch der ungestüme, neureiche Junge, dem es irgendwie gelungen war, sich die Zeitung unter den Nagel zu reißen. Ein Fremder, der kein Recht hatte, in Zeiten wie diesen auf der Bühne zu erscheinen und Fragen zu stellen.
    Sheriff Coley lächelte wie gewohnt, ganz so, als wären mitternächtliche Treffen wie dieses bei ihm an der Tagesordnung. »Ja, Sir, Mr Traynor.« Seine schleppende, volltönende Stimme klang äußerst angenehm. Ein Mann mit einer solchen Stimme würde doch nicht lügen, oder?
    »Was können Sie uns über den Mord erzählen?«
    Coley verschränkte die Arme vor der Brust und gab ein paar der üblichen Cop-Floskeln zum Besten. »Weiß, weiblich, einunddreißig, wurde in ihrem Haus an der Benning Road mit einem Messer bedroht, vergewaltigt, erstochen. Den Namen kann ich nicht rausrücken, bevor wir mit ihren Leuten gesprochen haben.«
    »Sie haben jemanden verhaftet?«
    »Ja, Sir, aber ich kann jetzt nicht in die Details gehen.
    Geben Sie uns ein paar Stunden Zeit. Die Untersuchung ist gerade erst angelaufen. Das war’s, Mr Traynor.«
    »Es heißt, dass Sie Danny Padgitt eingelocht haben.«
    »Mit Gerüchten gebe ich mich nicht ab, Mr Traynor. In meinem Beruf sollte man das nicht tun. In Ihrem übrigens auch nicht.«
    Wiley und ich rasten zum Krankenhaus, schnüffelten eine Stunde herum, schnappten aber nichts Druckreifes auf. Also fuhren wir zum Tatort an der Benning Road. Die 42

    Cops hatten das Haus abgesperrt, und hinter dem gelben Band, in der Nähe des Briefkastens, hatten sich ein paar schweigende Nachbarn versammelt. Wir pirschten uns an sie heran und sperrten die Ohren auf, hörten aber fast nichts. Sie schienen noch zu sehr unter Schock zu stehen, um schon zum Reden aufgelegt zu sein. Nachdem wir das Haus noch ein paar Minuten betrachtet hatten, schlichen wir davon.
    Wiley hatte einen Neffen, der zeitweise als Deputy arbeitete und gerade vor dem Haus von Mr Deece Wache schob. Die Polizei untersuchte noch immer die Veranda und die Hollywoodschaukel, in der Rhoda ihren letzten Atemzug getan hatte. Wir zogen Wileys Neffen hinter Mr Deece’ immergrüne Hecke, und er erzählte uns alles, natürlich vertraulich – als könnte man die blutigen Einzelheiten eines Mordes in Ford County geheim halten.

    Am Clanton Square gab es drei kleine Cafés, zwei für Weiße, eins für Schwarze. Wiley schlug vor, wir sollten einen frühmorgendlichen Ausflug dorthin machen und dabei die Ohren offen halten.
    Weil ich gewöhnlich noch im Bett liege, wenn anderswo das Frühstück serviert wird, esse ich morgens nie etwas.
    Es macht mir nichts aus, bis Mitternacht zu arbeiten, aber ich schlafe gern so lange, bis die Sonne hoch am Himmel steht. Ich hatte schnell festgestellt, dass man als Besitzer einer Wochenzeitung das Privileg genoss, nachts arbeiten und morgens spät aufstehen zu können. Solange man die Termine einhielt, konnte man die Artikel jederzeit schreiben. Spot selbst war dafür bekannt gewesen, erst kurz vor Mittag im Büro aufzutauchen, nach einem ersten Besuch im Bestattungsinstitut. Diese Arbeitszeitregelung sagte auch mir zu.
    43

    Am Tag nach meinem Einzug in der Wohnung über der Garage der Hocutts hatte um halb zehn Uhr morgens Gilma gegen die Tür gehämmert. Da der Lärm nicht aufgehört hatte, war ich in Unterwäsche durch meine kleine Küche gestolpert und hatte sie durch die Jalousien linsen sehen. Gilma verkündete, sie habe gerade die Polizei rufen wollen.
    Ihre Geschwister strichen um die Garage herum und hielten nach meinem Wagen Ausschau. Offenbar waren sie sich sicher, dass ein Verbrechen geschehen sein musste. Gilma fragte, was ich gerade tun würde. Ich antwortete, ich hätte noch geschlafen, bis ich durch das verdammte Klopfen geweckt worden sei. Sie hakte nach, wie man denn an einem Mittwochmorgen um halb zehn noch schlafen könne. Ich rieb mir die Augen und versuchte, mir eine passende Antwort einfallen zu lassen.
    Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich fast nackt war und vor einer siebenundsiebzigjährigen Jungfer stand, die die ganze Zeit über auf meine Oberschenkel starrte.
    Sie und ihre Geschwister seien schon seit fünf Uhr auf, erklärte sie. Niemand in Clanton schlafe bis halb zehn. Ob ich betrunken sei? Sie machten sich nur Sorgen, das sei alles. Bevor ich die Tür schloss, sagte ich, ich sei nüchtern, aber immer noch müde. Nachdem ich mich für die fürsorgliche

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