Die Liste
sollten zu langen Haftstrafen verurteilt werden, am besten mit harter Zwangsarbeit, obwohl er die mittlerweile nicht mehr anordnen konnte.
Am Montag nach dem Mord hatten sich die Anwälte der Padgitts versammelt, um Danny gegen Kaution aus dem Gefängnis zu holen. Richter Loopus war andernorts durch ein Verfahren in Anspruch genommen – sein Bezirk bestand aus sechs Countys – und hatte nicht vor, sich zu einer eilig angesetzten Kautionsanhörung nötigen zu lassen. Sie sollte am Donnerstagmorgen um neun Uhr stattfinden, wodurch die Stadt sich noch ein paar weitere Tage in Spekulationen ergehen konnte.
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Weil ich nicht nur Journalist, sondern auch Besitzer der örtlichen Zeitung war, sah ich es als meine Pflicht an, zeitig im Sitzungssaal zu sein und mich um einen guten Platz zu bemühen. Zugegeben, etwas Selbstgefälligkeit war mit im Spiel. Die anderen waren aus bloßer Neugier hier, für mich gab es wichtige Arbeit. Als sich der Saal zu füllen begann, saßen Baggy und ich bereits in der zweiten Reihe.
Danny Padgitts Hauptanwalt war ein bekanntes Original namens Lucien Wilbanks; ich sollte ihn schon sehr bald hassen lernen. Er war der letzte Sprössling eines einst angesehenen Clans von Anwälten, Bankern und Ähnlichem. Die Familie Wilbanks hatte in langer, harter Arbeit die Stadt Clanton mit aufgebaut, aber Lucien hatte ihren guten Namen gründlich ruiniert. Er hielt sich etwas darauf zugute, ein radikaler Anwalt zu sein, was um 1970
in diesem Teil der Welt noch eine Seltenheit war. Er trug einen Bart, fluchte wie ein Seemann, trank jede Menge Alkohol und bevorzugte als Klienten Vergewaltiger, Mörder und Kinderschänder. In Ford County war er das einzige weiße Mitglied der Bürgerrechtsbewegung National Association for the Advancement of Colored People, und schon deshalb hätte man hier erschossen werden können. Es war ihm egal.
Lucien Wilbanks verhielt sich barsch, unerschrocken und abgrundtief niederträchtig. Nachdem sich alle gesetzt hatten, kam er, unmittelbar vor dem Eintritt von Richter Loopus, langsam auf mich zu. Er hielt die jüngste Ausgabe der Times in der Hand und fuchtelte damit herum. »Sie elender kleiner Scheißer«, sagte er ziemlich laut, und im Sitzungssaal wurde es mucksmäuschenstill.
»Für wen halten Sie sich, zum Teufel?«
Mein Herzschlag setzte aus, und ich konnte nicht sofort antworten. Baggy rückte ein Stück zur Seite, alle Augen 51
waren auf mich gerichtet. Mir war klar, dass ich etwas sagen musste. »Ich habe nur die Wahrheit geschrieben«, brachte ich so überzeugend wie möglich hervor.
»Das ist Groschenblattjournalismus!«, herrschte er mich an. »Sensationslüsterner Müll!« Die Zeitung war nur ein paar Zentimeter von meiner Nase entfernt.
»Besten Dank«, antwortete ich möglichst cool. In dem Sitzungssaal waren mindestens fünf Deputys anwesend, von denen aber keiner das geringste Interesse zeigte, diesem Scharmützel ein Ende zu bereiten.
»Wir werden morgen Klage einreichen und eine Million Schadenersatz fordern!«, sagte er mit funkelndem Blick.
»Auch ich habe Anwälte.« Plötzlich hatte ich Angst, bald genauso pleite zu sein wie die Familie Caudle.
Nachdem er mir die Zeitung in den Schoß geworfen hatte, ging Wilbanks zum Tisch der Verteidigung zurück.
Endlich konnte ich tief durchatmen; mein Herz klopfte wie wild. Beschämung und Angst hatten mir die Röte ins Gesicht treten lassen.
Trotzdem schaffte ich es, ein dümmliches Grinsen aufzusetzen. Ich durfte mir vor den Leuten nicht anmerken lassen, dass der Eigentümer und Chefredakteur ihrer Zeitung vor irgendetwas Angst hatte. Eine Million Schadenersatz! Ich dachte an meine Großmutter in Memphis. Das würde ein schwieriges Gespräch werden.
Hinter dem Richtertisch öffnete ein Gerichtsdiener eine Tür. »Erheben Sie sich«, verkündete er. Richter Loopus trat ein und schlurfte in seiner verschossenen schwarzen Amtsrobe zu seinem Platz. Nachdem er sich gesetzt hatte, ließ er den Blick über die Menge schweifen. »Guten Morgen. Ein ziemlicher Auflauf, wenn man bedenkt, dass es nur um eine Kaution geht.« Solche Routineange-legenheiten lockten normalerweise niemand hinter dem 52
Ofen hervor – abgesehen von dem Angeklagten und seinem Anwalt und manchmal der Mutter des Ersteren.
Heute waren dreihundert Zuschauer anwesend.
Aber es war nicht bloß eine Anhörung wegen einer Kaution, sondern der Auftakt eines Verfahrens wegen Vergewaltigung und Mord, und das wollte man sich in Clanton nicht
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