Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
Harry Rex es irgendwie, sie mit einer Bewegung der Zunge und des Kopfes in den anderen Mundwinkel zu befördern.
    »Schon mal Ziege gegessen?«, fragte er.
    »Wie bitte?«
    »Haben Sie schon mal Ziege gegessen?«
    »Nein. Ich wusste nicht, dass das Fleisch essbar ist.«
    »Wir werden heute Abend eine braten. Am ersten Freitag im Monat schmeiße ich immer eine Party bei meiner Holzhütte in den Wäldern. Musik, kaltes Bier, Spaß und Spiele. Ungefähr fünfzig Leute, handverlesen, die Crème de la Crème. Ohne Ärzte, Banker und Arschlöcher aus dem Country-Klub. Meine Gäste haben Klasse.
    Warum kommen Sie nicht einfach vorbei? Hinter dem Teich habe ich einen Schießstand. Ich nehme die Knarre mit, und wir probieren aus, wie man das Ding benutzt.«

    Harry Rex’ »zehnminütige Spritztour aufs Land« dauerte fast eine halbe Stunde, und das bezog sich nur auf die asphaltierte Landstraße. Nach dem »dritten Rinnsal hinter der alten Union-76-Haltestelle« bog ich auf eine zunächst sehr hübsche Schotterstraße ab, wo Briefkästen die Hoffnung in mir aufkeimen ließen, dass ich die zivilisierte Welt nicht verlassen hatte. Doch nach knapp fünf Kilometern war nicht nur von dem Schotter, sondern auch von Briefkästen nichts mehr zu sehen. Als ich einen
    »verrosteten Massey-Ferguson-Traktor ohne Reifen«
    erblickte, fuhr ich nach links auf einen Weg ab, der auf 107

    Harry Rex’ primitiver Skizze als »Schweinepfad«
    bezeichnet wurde, obwohl ich dort kein Schwein zu Gesicht bekommen sollte. Dann verschwand der Schweinepfad in einem dichten Wald, und ich begann ernsthaft darüber nachzudenken, ob ich nicht umkehren sollte. Für solches Terrain war mein Spitfire nicht geeignet. Als ich das Dach der Hütte endlich sah, war ich eine Dreiviertelstunde unterwegs gewesen.
    Um das Gelände zog sich ein Stacheldrahtzaun mit Stahltor. Ich hielt an, weil ein junger Mann mit einer Schrotflinte das offensichtlich so wollte. Während er meinen Wagen mit einem verächtlichen Blick inspizierte, ließ er das Gewehr auf seiner Schulter liegen. »Was für eine Karre ist das?«, grunzte er.
    »Ein Triumph Spitfire«, sagte ich lächelnd. »Kommt aus England.« Ich bemühte mich, ihn nicht zu beleidigen.
    Warum benötigte man für eine Ziegen-Party einen bewaffneten Wachposten? Der Mann wirkte wie ein Bauer, der noch nie ein ausländisches Auto gesehen hatte.
    »Wie heißen Sie?«
    »Willie Traynor.«
    Vermutlich hob das »Willie« seine Stimmung, denn er wies mit einer Kopfbewegung auf das Tor. »Hübscher Wagen«, meinte er, während ich losfuhr.
    Unter den vor der Holzhütte abgestellten Fahrzeugen gab es mehr Pick-ups als Pkw. Aus zwei in den Fenstern aufgestellten Lautsprecherboxen tönte mir das Gejammer von Merle Haggard entgegen. Ein paar Gäste standen um ein Loch herum, in dem das Feuer brannte, über dem die Ziege gebraten wurde. Eine andere Gruppe vergnügte sich neben der Hütte mit Hufeisenwerfen. Auf der Veranda standen drei gut gekleidete Frauen. Das Getränk, an dem sie nippten, war mit Sicherheit kein Bier. Harry Rex 108

    erschien und begrüßte mich herzlich.
    »Wer ist der Typ mit der Schrotflinte?«, fragte ich.
    »Ach der. Duffy, der Neffe meiner ersten Frau.«
    »Und warum steht er da?« Wenn hier etwas Ungesetzliches vor sich ging, wollte ich es zumindest wissen.
    »Machen Sie sich keine Gedanken. Eigentlich ist Duffy gar nicht da, und das Gewehr ist nicht geladen. Er bewacht seit Jahren nichts.«
    Ich lächelte, als hätte er sich vollkommen unmissverständlich ausgedrückt. Er führte mich zu dem Loch, wo ich mit meiner ersten Ziege Bekanntschaft machte. Bisher hatte ich noch nie eine gesehen, weder tot noch lebendig.
    Sah man von Kopf und Fell ab, schien sie noch ziemlich ganz zu sein. Ich wurde den vielen herumstehenden Köchen vorgestellt und bekam mit jedem Namen auch den dazugehörenden Beruf mitgeteilt – Anwalt, Inhaber einer Kautionsagentur, Autohändler, Farmer. Während ich beobachtete, wie sich die aufgespießte Ziege drehte, erfuhr ich, dass es viele unterschiedliche Theorien gab, wie eine Ziege über offenem Feuer zu braten war. Harry Rex reichte mir eine Dose Bier, und wir schlenderten zu der Hütte hinüber. Unterwegs unterhielten wir uns mit allen, die uns über den Weg liefen – mit einer Sekretärin, einem
    »betrügerischen Grundstücksmakler«, der gegenwärtigen Ehefrau meines Gastgebers. Jeder schien erfreut zu sein, den neuen Eigentümer der Times kennen zu lernen.
    Die Hütte stand an

Weitere Kostenlose Bücher