Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
einem jener verschlammten Teiche, die auf Schlangen große Anziehungskraft ausüben. Über das Wasser ragte eine Holzterrasse, auf der Harry Rex mich mit großem Vergnügen weiteren Freunden vorstellte.
    »Er ist ein guter Junge, kein Eliteuni-Arschloch«, sagte er gleich mehrfach. Mir gefiel es nicht, als »Junge«
    bezeichnet zu werden, aber allmählich begann ich, mich 109

    daran zu gewöhnen.
    Ich gesellte mich zu einer kleinen Gruppe, zu der auch zwei Frauen gehörten, deren Aussehen darauf schließen ließ, dass sie etliche Jahre in den örtlichen Spelunken herumgehangen haben mussten. Stark geschminkte Augen, aufgedonnerte Frisuren, enge Kleidung. Sie fanden mich auf Anhieb interessant, und das Gespräch begann mit der Bombe, dem Überfall auf Wiley Meek und der dunklen Wolke der Angst, die wegen der Padgitts über dem County schwebte und sich nicht verziehen wollte. Ich verhielt mich so, als wäre das nur eine weitere neben-sächliche Episode in meiner langen und an Abwechslung nicht armen Karriere als Journalist. Sie löcherten mich mit Fragen, und ich musste mehr reden, als mir lieb war.
    Harry Rex trat wieder zu uns und reichte mir ein verdächtig wirkendes Einmachglas mit einer klaren Flüssigkeit. »Trinken Sie langsam«, empfahl er in einem väterlichen Tonfall.
    »Was ist das?« Ich bemerkte, dass alle Augen auf mich gerichtet waren.
    »Pfirsichschnaps.«
    »Warum ist er in einem Einmachglas?«
    »So ist das hier eben.«
    »Er ist schwarz gebrannt«, sagte eine der angemalten Frauen. Die Stimme der Erfahrung.
    Diese Landeier bekamen bestimmt nicht oft zu sehen, wie jemand von einer »Eliteuni« zum ersten Mal schwarz gebrannten Fusel trank. Die Gäste kamen näher. Ich war mir sicher, in den vergangenen fünf Jahren in Syracuse mehr Alkohol verkonsumiert zu haben als alle anderen Anwesenden, und schlug jede Vorsicht in den Wind. Ich hob das Glas, sagte »Prost«, trank einen sehr kleinen Schluck und leckte mir über die Lippen. »Nicht übel.« Ich 110

    versuchte, das Lächeln eines Erstsemesters auf der ersten Uniparty hinzubekommen.
    Das Brennen begann auf den Lippen, die der Alkohol zuerst benetzt hatte, und verbreitete sich dann in irrwitzigem Tempo über Zunge und Gaumen. Als es meine Kehle erreicht hatte, glaubte ich, in Flammen zu stehen. Alle beobachteten mich. Harry Rex nahm einen Schluck aus seinem Glas.
    »Wo kommt er her?«, fragte ich so lässig wie möglich, während ich Flammen zu speien glaubte.
    »Ganz aus der Nähe«, antwortete jemand.
    Obwohl mein Mund brannte und ich halb benommen war, trank ich einen weiteren Schluck. Ich hätte es gern gesehen, wenn die Menge mich eine Weile ignoriert hätte.
    Beim dritten Schluck nahm ich merkwürdigerweise einen Anflug von Pfirsicharoma wahr, als hätte den Geschmacksnerven erst ein Schock versetzt werden müssen, bevor sie richtig funktionierten. Als klar wurde, dass ich weder Flammen speien noch mich erbrechen oder schreien würde, nahmen die anderen ihre Gespräche wieder auf. Harry Rex, stets darum bemüht, dass ich etwas dazulernte, hielt mir eine Platte mit etwas Gebratenem hin.
    »Probieren Sie mal davon.«
    »Was ist das?«, fragte ich misstrauisch.
    Die beiden angemalten Frauen rümpften die Nase und wandten sich ab, als würde ihnen von dem Geruch schlecht werden. »Schweinekutteln«, antwortete eine von ihnen.
    »Was sind Schweinekutteln?«
    Harry Rex schob sich einen Happen in den Mund, als wollte er beweisen, dass die Schweinekutteln nicht ver-giftet waren, und hielt mir die Platte unter die Nase. »Na los«, sagte er, während er es sich sichtlich schmecken ließ.
    111

    Wieder standen wir im Mittelpunkt des Interesses. Ich nahm das kleinste Stück und probierte. Es hatte eine gummiartige Konsistenz, einen beißenden, fauligen Geschmack und roch irgendwie nach Stall. Ich kaute energisch, würgte es hinunter und half mit einem Schluck Fusel nach. Ein paar Sekunden lang glaubte ich, an Ort und Stelle zusammenzubrechen.
    »Schweineinnereien, Junge«, sagte Harry Rex und klopfte mir auf den Rücken. Er ließ einen weiteren Happen in seinem Mund verschwinden und hielt mir die Platte erneut hin.
    »Wo bleibt die Ziege?«, stieß ich mühsam hervor. Es konnte nur besser werden. Warum nicht Pizza und Bier?
    Wie konnten diese Leute solche Scheußlichkeiten essen und trinken?
    Harry Rex ging weiter, und der faulige Geruch folgte ihm wie eine Wolke. Ich stellte mein Glas auf das Geländer und hoffte, dass es hinunterfallen würde. Die

Weitere Kostenlose Bücher