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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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gerade scheiden, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Wann haben Sie den Scheidungsantrag gestellt?«
    Sie hob rasch den Blick und sah Wilbanks an, der angestrengt zuhörte, sich aber hütete, sie anzuschauen.
    »Wir haben noch keinen richtigen Antrag gestellt«, erwiderte sie.
    »Wie bitte? Ich dachte, Sie hätten gesagt, Sie würden sich gerade scheiden lassen.«
    »Wir haben uns getrennt und uns beide einen Anwalt genommen.«
    »Und wer ist Ihr Anwalt?«
    »Mr Wilbanks.«
    Wilbanks zuckte zusammen, als wäre ihm das neu.
    Gaddis wartete, bis sich die Antwort gesetzt hatte. »Wer ist der Anwalt Ihres Mannes?«, fragte er dann.
    »Ich erinnere mich nicht an den Namen.«
    »Hat er den Scheidungsantrag gestellt oder Sie?«
    »Wir beide.«
    »Mit wie vielen anderen Männern haben Sie geschlafen?«
    »Nur mit Danny.«
    »Ich verstehe. Und Sie leben jetzt in Tupelo, stimmt’s?«
    »Das ist richtig.«
    »Sie haben gesagt, Sie sind arbeitslos, nicht wahr?«
    »Im Augenblick schon.«
    199

    »Und Sie leben getrennt von Ihrem Ehemann?«
    »Ich hab doch gerade gesagt, dass wir uns getrennt haben.«
    »Wo leben Sie in Tupelo?«
    »In einer Wohnung.«
    »Wie hoch ist die Miete?«
    »Zweihundert pro Monat.«
    »Und Sie leben dort mit Ihrem Kind?«
    »Ja.«
    »Arbeitet das Kind?«
    »Es ist fünf Jahre alt.«
    »Wie bezahlen Sie dann Miete, Strom und Wasser?«
    »Ich komme schon zurecht.« Absolut unglaubwürdig.
    »Was für ein Auto fahren Sie?«
    Sie zögerte erneut. Ihre Aussage würde sich mit ein paar Telefonaten überprüfen lassen. »Einen 68er Mustang.«
    »Das ist ein schönes Auto. Seit wann haben Sie es?«
    Auch dafür musste es Belege geben, und selbst Lydia, die kein Ausbund an Intelligenz war, erkannte die Gefahr.
    »Seit ein paar Monaten«, erwiderte sie herausfordernd.
    »Läuft der Wagen auf Ihren Namen?«
    »Ja.«
    »Wurde der Mietvertrag auf Ihren Namen ausgestellt?«
    »Ja.«
    Papiere, Papiere. Lydia konnte in dieser Hinsicht nicht lügen, obwohl klar war, dass sie nicht imstande war, sich ein Auto oder eine Wohnung zu leisten. Gaddis nahm einige Aufzeichnungen von Hank Hooten entgegen und prüfte sie misstrauisch.
    »Wie lange haben Sie mit Danny Padgitt geschlafen?«
    200

    »Normalerweise fünfzehn Minuten.«
    In der angespannten Atmosphäre des Sitzungssaals wurde vereinzelt Gelächter laut. Gaddis nahm seine Brille ab, putzte sie mit dem Ende seiner Krawatte, grinste Lydia Vince boshaft an und formulierte seine Frage neu. »Wie lange hat Ihre Affäre mit Danny Padgitt gedauert?«
    »Knapp ein Jahr.«
    »Wo haben Sie ihn kennen gelernt?«
    »In den Klubs oben an der Staatsgrenze.«
    »Wurden Sie einander vorgestellt?«
    »Das weiß ich wirklich nicht mehr. Er war da, ich war da, wir haben miteinander getanzt. Eins führte zum anderen.«
    Es war offenkundig, dass Lydia Vince viele Nächte in den verschiedensten Spelunken verbracht und bereitwillig mit jedem neuen Tanzpartner mitgegangen war. Gaddis brauchte nur noch ein paar weitere Lügen, um sie festzunageln.
    Er stellte eine Reihe von Fragen über ihren Hintergrund und den ihres Mannes: Geburtsort und -datum, Ausbildung, Eheschließung, Beschäftigung, Familie. Namen, Daten und Ereignisse, die überprüft werden konnten. Sie war käuflich. Die Padgitts hatten eine Zeugin gefunden, die sie kaufen konnten.
    Als wir den Sitzungssaal am späten Nachmittag verließen, war ich verwirrt und beunruhigt. Seit Monaten war ich davon überzeugt, dass Danny Padgitt Rhoda Kassellaw getötet hatte. Daran hatte sich nichts geändert, doch es war plötzlich denkbar geworden, dass die Geschworenen nicht zu einer Entscheidung kommen würden. Die Zeugin hatte einen Meineid geleistet, aber es war möglich, dass einem Geschworenen Zweifel gekommen waren.
    201

    Ginger war noch deprimierter als ich, deshalb beschlossen wir, uns zu betrinken. Wir kauften Hamburger mit Pommes frites und eine Kiste Bier und fuhren zu ihrem Motel. Dort aßen wir in ihrem kleinen Zimmer und spülten unsere Ängste und unseren Hass auf das korrupte Rechtssystem hinunter. Mehr als einmal sagte sie, dass ihre zersplitterte Familie einen Freispruch für Danny Padgitt nicht überstehen würde. Ihre Mutter war ohnehin nicht stabil, und ein »Nicht schuldig« würde ihr vollends den Rest geben. Und was sollten sie Rhodas Kindern eines Tages sagen?
    Wir versuchten fernzusehen, fanden aber nichts, das uns interessierte. Bald hatten wir es satt, uns Sorgen wegen des Prozesses zu machen. Als ich gerade am Einschlafen

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