Die Liste
werden«, beruhigte ich ihn. »Allerdings ist es durchaus möglich, dass Ihnen jemand eine Kugel in den Kopf jagt.«
»Da würde ich lieber verhaftet werden«, sagte er.
»Ich auch.«
»Ein gefährlicher Mann, Mr Durant«, sagte Sam. Dann folgte eine Geschichte, die ich nicht bis in alle Einzelheiten verstand. Offenbar lebte Iris Durant mittlerweile in Memphis, und Sam hielt den Kontakt zu ihr. Sie hatte ihm entsetzliche Dinge über ihren Exmann, ihre beiden halbwüchsigen Söhne und die Drohungen erzählt, die sie ihr gegenüber ausgestoßen hatten. Sie war nirgendwo in Ford County willkommen. Auch ihr Leben war möglicherweise in Gefahr. Die Jungen hatten mehrfach gesagt, sie hassten sie und wollten sie nie wieder sehen.
Sie war ein gebrochener, von Schuldgefühlen zer-fressener Mensch und hatte einen Nervenzusammenbruch hinter sich.
»Und es ist meine Schuld«, sagte Sam. »Bei meiner Erziehung hätte mir so etwas nicht passieren dürfen.«
Unser Treffen dauerte eine Stunde. Wir vereinbarten, uns bald wieder zu treffen. Er übergab mir zwei lange Briefe, die er an seine Eltern geschrieben hatte, und wir verabschiedeten uns. Während er in der Menge der Einkaufsbummler verschwand, fragte ich mich unwillkürlich, wo sich ein Achtzehnjähriger versteckt 273
hielt. Wie reiste er, wie bewegte er sich? Wie überlebte er von Tag zu Tag? Und Sam war kein Straßenkind, er hatte nicht gelernt, sich auf seine Schlauheit und seine Fäuste zu verlassen.
Ich erzählte Harry Rex von unserem Treffen in Memphis. Mein hochfliegendes Ziel war es, Durant auf die eine oder andere Weise zu überreden, dass er Sam in Ruhe ließ.
Da ich davon ausging, dass mein Name irgendwo auf Padgitt Island auf einer schwarzen Liste stand, legte ich keinen Wert darauf, auf einer weiteren Liste zu erscheinen. Deshalb ließ ich mir von Harry Rex schwören, dass er nichts von meiner Rolle als Mittelsmann verraten würde. Ich war mir sicher, dass ich mich auf ihn verlassen konnte.
Sam würde sich bereit erklären, Ford County zu verlassen, die Highschool in Milwaukee zu beenden, zu studieren und wahrscheinlich für den Rest seines Lebens dort zu bleiben. Er wollte nur seine Eltern sehen und für Kurzbesuche nach Clanton kommen können und nicht den Rest seines Lebens gejagt werden.
Harry Rex war das egal, und er wollte sich auch nicht einmischen. Er versprach, Durant die Nachricht zu überbringen, glaubte aber nicht, dass er ein offenes Ohr finden würde. »Das ist ein übler Bursche«, sagte er mehr als einmal.
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nfang Dezember kehrte ich nach Tishomingo County zurück, um m
A
eine Unterhaltung mit Sheriff
Spinner fortzusetzen. Ich war nicht überrascht, dass die Untersuchung des Mordes an Malcolm Vince nichts Neues ergeben hatte. Mehr als einmal sprach Spinner von einer
»sauberen Arbeit«. Die einzigen Spuren waren die Leiche und zwei Kugeln, die praktisch nicht zurückzuverfolgen waren. Seine Männer hatten mit allen auffindbaren Freunden, Bekannten und Kollegen gesprochen. Niemand kannte einen Grund dafür, warum Malcolm ein solch gewalttätiges Ende gefunden hatte.
Spinner hatte auch mit Sheriff Mackey Don Coley gesprochen, der erwartungsgemäß Zweifel daran äußerte, dass der Mord etwas mit dem Padgitt-Prozess in Ford County zu tun hatte. Offenbar kannten sich die beiden Sheriffs schon lange, und ich war erleichtert, als Spinner sagte: »Coley würde nicht mal jemanden erwischen, der bei Rot über die Straße geht.«
Ich lachte betont laut und ergänzte: »Ja, und mit den Padgitts ist er besonders dick.«
»Ich hab ihm erzählt, dass Sie hier rumgeschnüffelt haben. ›Der Junge wird Ärger bekommen‹, meinte er. Ich dachte, das würde Sie interessieren.«
»Danke«, sagte ich. »Coley sieht die Dinge anders als ich.«
»In ein paar Monaten sind Wahlen.«
»Ja, das stimmt. Ich habe gehört, Coley hat zwei oder drei Gegenkandidaten.«
»Einer reicht.«
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Er versprach erneut, mich anzurufen, falls sich neue Entwicklungen ergäben, aber wir wussten beide, dass das nicht geschehen würde. Ich ließ Iuka hinter mir und fuhr nach Memphis.
Sergeant Durant war zufrieden, als er hörte, dass seine Drohungen immer noch wie ein Damoklesschwert über Sam Ruffin hingen. Harry Rex hatte ihn schließlich darüber informiert, dass der Junge noch auf der Flucht war, aber unbedingt nach Hause wollte, um seine Mutter zu sehen.
Durant hatte nicht wieder geheiratet. Er war sehr einsam und zutiefst verbittert und beschämt
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