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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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über die Affäre seiner Frau. Harry Rex gegenüber beklagte er sich über sein zerstörtes Leben. Das Schlimmste war, dass seine beiden Söhne wegen des Verhaltens ihrer Mutter verspottet und beschimpft wurden. Ihre weißen Mitschüler ärgerten sie täglich, während ihre neuen schwarzen Klassenkameraden an der Highschool von Clanton wissende Mienen zur Schau trugen und Witze rissen.
    Beide Jungen waren ausgezeichnete Schützen und passionierte Jäger, und alle drei Durants hatten geschworen, Sam Ruffin eine Kugel in den Kopf zu jagen, wenn sie die Chance bekamen. Sie wussten, wo in Lowtown die Ruffins lebten. Durant sagte, viele Schwarze aus dem Norden kämen an Weihnachten nach Hause.
    »Falls der Kerl heimkommt – wir warten auf ihn«, versicherte er Harry Rex.
    Auch für mich und meine herzerwärmenden Geschichten über Miss Callie und ihre älteren Kinder hatte er ein paar gehässige Bemerkungen übrig. Er war ganz richtig zu dem Schluss gekommen, dass ich der Verbindungsmann zwischen Sam und seiner Familie war.
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    »Sie halten sich besser aus dieser Sache raus«, warnte Harry Rex mich nach seinem Treffen mit Durant. »Das ist ein übler Charakter.«
    Ich legte keinen Wert darauf, dass noch jemand von meinem gewaltsamen Tod träumte.
    Ich traf Sam an einer Raststätte für Lkw-Fahrer, etwa anderthalb Kilometer von der Staatsgrenze entfernt, in Tennessee. Miss Callie schickte ihm Kuchen, Briefe und etwas Geld. Der Karton nahm den ganzen Beifahrersitz meines kleinen Spitfire ein. Es war das erste Mal seit zwei Jahren, dass sie Kontakt zu ihm hatte. Er versuchte, einen ihrer Briefe zu lesen, wurde aber von seinen Gefühlen überwältigt und steckte ihn in den Umschlag zurück. »Ich hab so Heimweh«, sagte er und wischte sich dicke Tränen aus dem Gesicht, während er versuchte, die an den Nebentischen sitzenden Lkw-Fahrer nicht merken zu lassen, dass er weinte. Ein verängstigter kleiner Junge, der sich verlaufen hatte.
    Mit brutaler Ehrlichkeit erzählte ich ihm von meinem Gespräch mit Harry Rex. Sam war so naiv gewesen zu glauben, dass Durant seinen Vorschlag, außerhalb von Ford County zu leben und nur gelegentlich zu Besuch zu kommen, akzeptieren würde. Er hatte keine Ahnung, welchen Hass er auf sich gezogen hatte. Allerdings schien er zu verstehen, in welcher Gefahr er sich befand.
    »Er würde Sie umbringen, Sam«, sagte ich ernst.
    »Und davonkommen, stimmt’s?«
    »Das kann Ihnen doch egal sein, Sie wären tot. Miss Callie ist es lieber, zu wissen, dass Sie im Norden sind und leben, als dass Sie tot auf dem Friedhof von Clanton liegen.«
    Wir verabredeten ein weiteres Treffen in zwei Wochen.
    Sam war dabei, seine Weihnachtseinkäufe zu erledigen, 277

    und würde Geschenke für seine Eltern und Geschwister mitbringen.
    Wir verabschiedeten uns und verließen den Restaurant-bereich. Ich war schon fast am Auto, als ich beschloss, zurückzugehen und die Toilette aufzusuchen, die sich hinter einem Geschenkladen neben dem Restaurant befand. Durch ein Fenster sah ich, wie Sam eilig in ein Auto sprang, das von einer weißen Frau gefahren wurde.
    Sie schien wesentlich älter zu sein als er, Anfang vierzig.
    Wahrscheinlich Iris Durant. Manche Leute lernten es nie.

    Drei Tage vor Weihnachten traf ein Ruffin nach dem anderen ein. Miss Callie kochte schon seit einer Woche.
    Zweimal schickte sie mich zum Lebensmittelgeschäft, um noch schnell etwas zu besorgen. Ich wurde von dem Clan rasch adoptiert und erhielt sämtliche Rechte eines Familienmitglieds, deren wichtigstes war, zu essen, wann und was ich wollte.
    Als sie jung gewesen waren, hatte sich das Leben der Kinder im Hause Ruffin um ihre Eltern und Geschwister, die Bibel und den Küchentisch gedreht. Während der Feiertage hatte immer ein frisches Gericht auf dem Tisch gestanden, während zwei oder drei andere auf dem Herd oder im Ofen gebrutzelt hatten. Der Ruf »Die Nusskuchen sind fertig!« sandte wahre Schockwellen durch das kleine Haus, über die Veranda und sogar bis auf die Straße. Die Familie versammelte sich um den Tisch, wo Esau etwas hastig dem Herrn für seine Familie, deren Gesundheit und die Speisen dankte, an denen sie »teilhaben« durften.
    Dann wurden die Kuchen in große Stücke geschnitten, auf Untertassen verteilt und in alle Richtungen davongetragen.
    Das gleiche Ritual wurde bei Kürbiskuchen, Kokos-kuchen, Erdbeerkuchen und einer endlosen Liste anderer 278

    Köstlichkeiten befolgt. Und das waren nur die kleinen Imbisse zwischen

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