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Die Listensammlerin

Die Listensammlerin

Titel: Die Listensammlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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bislang, und zwei Paar alte Socken, er umfasste sie angewidert mit Zeigefinger und Daumen und trug sie in die Küche in den Müll.
    «Was ist das?», fragte seine Mutter.
    «Alte Socken. Habe ich aus der Imkerei mitgebracht und erst jetzt im Rucksack entdeckt.»
    «Ich hatte dir doch gesagt, du sollst mir alle deine schmutzigen Sachen geben.»
    «Die habe ich vergessen. Entschuldige.» Er gab seiner Mutter einen Kuss auf die Wange und stibitzte eine Scheibe Brot.
    «Woher willst du denn neue Socken nehmen? Oder das Geld dafür?»
    «Ich habe ein halbes Jahr ohne diese Socken gelebt, dann werde ich noch ein paar Jahre ohne sie leben können. Ich habe genug Socken. Haben wir Wurst?»
    «Nein, wir haben keine Wurst. Aber Abendessen ist in zehn Minuten fertig. Kannst den Tisch schon mal decken. Aber wasch dir vorher noch die Hände.»
    «Ich kann nicht. Ich muss los. Ich werde nicht zu Abend essen.»
    Sie seufzte. Verweinte Augen, er gab sich alle Mühe, das nicht zu bemerken.
    «Wo willst du denn jetzt schon wieder hin?»
    Er überlegte schnell und entschied sich für die Wahrheit, weil er sich das «Ich muss halt los» für all die anderen Abende aufsparen wollte. Es war nicht so, dass er kein guter Sohn sein wollte.
    «Erinnerst du dich an den schwarzen Kerl, den ich fotografiert habe? Vor einem Jahr? Fürs Theater?»
    «Ja.»
    «Ihn treffe ich. An der Dostojewskaja-Station.» Er gab, wenn er denn schon einmal konnte, so viele Details wie möglich an. Sie mochte Schwarze nicht, weil sie angeblich dreckig waren, aber seine Fotografien hatten ihr gefallen. Sogar ihr.
    «Aber wozu?»
    Halbwahrheiten. «Er wollte die Fotos haben. Ich habe ihm damals nur eins gegeben, aber er will seiner Familie noch mehr schicken. Seine Familie ist in Somalia.»
    «Somalia. Afrika», stellte sie fest. «Hast du denn noch welche?»
    «Ja.» Irgendwo in Kostjas Dunkelkammer mussten noch welche sein, meinte er. «Ich wollte vielleicht noch mehr Bilder von ihm machen. Das waren gute Fotos damals. Dir haben sie auch gefallen. Ich will wieder anfangen zu fotografieren.» Er wusste, dass sie sich freuen würde, sie hielt nicht viel davon, dass er nun Tieren in Zeichentrickfilmen seine Stimme lieh, sie fand Fotografieren seriöser, und als er gefragt hatte, warum, war ihre Antwort das übliche, schon automatisierte Kopfschütteln gewesen. Sein ehrliches Interesse verstand sie als Provokation, dabei war sie ihm noch freundlicher gesinnt als die meisten.
    «Wann kommst du wieder?»
    «Weiß nicht. Vielleicht gehen wir noch ein bisschen spazieren. Nicht spät. Versprochen.» Er küsste sie noch einmal auf die Wange.
    «Willst du noch ein Käsebrot für den Weg? Wirst du denn gar nichts essen?» Er wollte eigentlich gern, aber er hatte die Küche mit einem Fuß schon verlassen und war viel zu spät dran.
    An der Dostojewskaja-Station war viel los um diese Zeit, sieben Uhr, Menschen, die nach einem langen Arbeitstag nach Hause eilten. Als er versuchte, sich an den Passanten auf der Rolltreppe vorbeizudrängeln, und die unangenehmen Kommentare überhörte, kam ihm kurz der Gedanke, sie hätten sich vielleicht an einer anderen Stelle verabreden sollen, wo weniger los war, aber sofort fiel ihm ein, der andere war ja schwarz.
    Asad war schon da, und wie erwartet erkannte er ihn in der Menge sofort und setzte sein freundlichstes, offenstes Lächeln auf.
    «Grüß dich!»
    «Hallo!» Der Schwarze war größer, als er ihn in Erinnerung hatte, breitschultrig, er lächelte zu schüchtern für seine Körpergröße. Er musste also übernehmen. Das tat er gerne und ging sofort aufs Ganze.
    «Ich freue mich sehr, dass wir uns treffen. Ich will dich noch mehr fotografieren. Allen haben die Fotos sehr gefallen. Du bist sehr fotogen. Und vor allem repräsentierst du den Vielvölkerstaat Sowjetunion. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!»
    Der Schwarze lächelte. Er auch. Menschen waren so einfach. Bienen zu etwas zu motivieren, was sie nicht als eigenen Plan in sich gespeichert haben, war weitaus schwieriger gewesen und hatte eines Schutzanzugs und einer Hut-Schleier-Kombination bedurft und dennoch nur selten funktioniert.
    Der Plan war so genial wie simpel, das hatte selbst der immer noch skeptische, ängstliche Sascha anerkennend zugegeben, Sascha, den sie den Logiker nannten. Sascha, der Angst hatte um sich und seine Familie und neuerdings auch um seine Tochter, und dann auch noch um die Familien aller anderen Teilnehmer, ach, er hatte sogar um den

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