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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Kreis gehören würde.
    Er hoffte, dass Masud lebendig gefasst worden war, damit die Russen ihm den Prozess machen konnten und allen Rebellen klar werden würde, dass es aus war mit ihm. Sollte er getötet worden sein, war das auch nicht schlimm, vorausgesetzt man hatte seine Leiche.
    Falls man keine Leiche hatte oder eine unkenntliche, so würden die Propagandisten der Rebellen in Peschawar sofort in einer Presseverlautbarung behaupten, Masud sei noch am Leben. Natürlich würde letztendlich deutlich, dass er tot war, aber die unmittelbare Wirkung wäre abgeschwächt. Jean-Pierre hoffte sehr, dass sie wenigstens die Leiche hatten.
    Vom Korridor her kamen Schritte. Würde es Anatoli sein oder Jane - oder beide? Die Schritte klangen eindeutig männlich. Er öffnete die Tür und sah zwei ziemlich große russische Soldaten sowie einen dritten, kleineren Mann in einer Offiziersuniform.
    Zweifellos kamen sie, um ihn zu Anatoli und Jane zu bringen. Jean-Pierre war enttäuscht.
    Fragend blickte er zu dem Offizier, der eine Handbewegung machte. Die beiden Soldaten traten mit strammen Schritten in das Zimmer. Jean-Pierre wich unwillkürlich vor ihnen zurück. Er wollte protestieren, doch bevor er auch nur ein Wort äußern konnte, packte ihn einer der beiden Soldaten beim Hemd und schmetterte ihm seine riesige Faust ins Gesicht.
    Jean-Pierre schrie auf vor Schmerz und Furcht. Der andere Soldat trat ihm mit seinem schweren Stiefel in den Unterleib: Es war, als ob man ihm einen Spieß durch seinen Körper rammte, und Jean-Pierre sank auf die Knie. Er wusste , dass ihm nun das Schlimmste bevorstand.
    Die beiden Soldaten zerrten ihn hoch und hielten ihn fest, jeder an einem Arm. Jetzt trat auch der Offizier ein. Verschwommen erkannte Jean-Pierre einen stämmigen jungen Mann, dessen Gesicht irgendwie deformiert war. Die eine Seite wirkte rötlich geschwollen, was ihm einen Ausdruck von gleichsam eingeätztem Hohn verlieh. In der behandschuhten Hand hielt er einen Knüppel.
    Während der nächsten fünf Minuten hielten die beiden Soldaten Jean-Pierre fest, der sich unter den Schlägen des Offiziers aufbäumte und losreißen wollte. Wieder und wieder traf der Holzknüppel sein Gesicht, seine Schultern, seine Knie, seine Schienbeine, seinen Bauch und seine Lenden - immer wieder seine Lenden. Jeder Schlag war genau gezielt und kraftvoll, und zwischen den einzelnen Schlägen trat jeweils eine Pause ein, sodass die Wirkung jedes Schlages so weit abklang, dass Jean-Pierre die Zeit blieb, den folgenden zu fürchten. Jeder Schlag ließ ihn vor Schmerzen schreien, und in den Pausen schrie er aus Furcht vor dem nächsten Schlag. Schließlich trat eine längere Pause ein, und Jean-Pierre begann draufloszureden, ohne zu wissen, ob sie ihn verstanden oder nicht: »Bitte nicht! Bitte nicht mehr schlagen, Herr Offizier! Ich tue alles, was Sie wünschen, aber bitte, schlagen Sie mich nicht, schlagen Sie mich nicht -.«
    »Genug!« sagte eine Stimme auf französisch.
    Jean-Pierre öffnete die Augen und versuchte, durch das Blut, das ihm über die Stirn lief, seinen Retter zu erkennen, der genug gesagt hatte. Es war Anatoli.
    Die beiden Soldaten ließen Jean-Pierre langsam zu Boden sinken. Er hatte das Gefühl, dass sein Körper in Flammen stand. Jede Bewegung war eine Qual. Jeder Knochen in seinem Körper schien gebrochen zu sein, seine Hoden zerquetscht, sein Gesicht ungeheuer geschwollen. Er öffnete den Mund, und Blut quoll hervor. Er schluckte und sprach dann mit aufgeplatzten Lippen. »Warum … warum haben die das getan?«
    »Das weißt du sehr gut«, erwiderte Anatoli.
    Jean-Pierre drehte seinen Kopf langsam von einer Seite zur anderen und kämpfte gegen das Gefühl an, die Besinnung zu verlieren. »Ich habe mein Leben für euch aufs Spiel gesetzt… Ich habe alles für euch getan … Warum also?«
    »Du hast uns eine Falle gestellt«, sagte Anatoli. »Durch deine Schuld haben heute einundachtzig Männer den Tod gefunden.«
    Jean-Pierre begriff, dass der Angriff offenbar ein Fehlschlag gewesen war und dass man das aus irgendeinem Grund ihm in die Schuhe schob. »Nein«, sagte er, »nicht durch meine Schuld -«
    »Du hast darauf gebaut, weit vom Schuss zu sein, wenn die Falle zuschnappte«, fuhr Anatoli fort. »Aber das habe ich vereitelt, indem ich dich zwang, in den Hubschrauber zu steigen und mit mir zu kommen. Und deshalb bist du jetzt hier, um deine Strafe zu empfangen, eine überaus schmerzhafte Strafe, die sehr, sehr lange andauern

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