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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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allmählich, bis nur noch der Schlafsack da war und das Tal und Jane und das Gefühl der Freude. Irgendwann in der Nacht hatten sie den Reißverschluss des Schlafsacks zugezogen, und nun lagen sie dicht beieinander, so dicht, dass sie sich kaum bewegen konnten. Er spürte ihren warmen Atem an seinem Hals, und ihre großen Brüste quetsch-ten gegen seine Rippen. Ihre Knochen drückten gegen ihn, ihre Hüfte und ihr Knie, ihr Ellbogen und ihr Fuß, aber er mochte das. Sie hatten immer eng beieinander geschlafen.
    Das »antike« Bett in ihrem Pariser Appartement hatte ihnen ohnehin keine andere Wahl gelassen. Was sein eigenes Bett betraf, so war es zwar größer gewesen, aber auch dort hatten sie eng umschlungen geschlafen. Sie hatte oft behauptet, er sei nachts › zu-dringlich ‹ geworden, doch daran konnte er sich morgens nie erinnern.
    Es war lange her, dass er die ganze Nacht zusammen mit einer Frau geschlafen hatte. Er versuchte, sich zu erinnern. Es war Jane gewesen. Die Frauen, die er in sein Washingtoner Appartement mitgenommen hatte, waren nie bis zum Frühstück geblieben.
    Jane war die erste und letzte und also einzige Frau, mit der er je einen solch tabufreien Sex gehabt hatte. Wie ein Film lief vor seinem inneren Auge ab, was sie in der vergangenen Nacht gewagt hatten, und sofort bekam er eine Erektion. In Paris waren sie manchmal den ganzen Tag lang im Bett geblieben und nur aufgestanden, um was aus dem Kühlschrank zu holen oder eine Flasche Wein zu entkorken. Fast mühelos gelang es ihm, fünf-oder sechsmal zu kommen, während sie ihre Orgasmen bald nicht mehr zählen konnte. Er hatte sich nie für einen Sexualathleten gehalten, und spätere Erfahrungen hatten auch gezeigt, dass er das nicht war - außer bei Jane. Durch sie wurde etwas frei, das, wenn er mit anderen Frauen zusammen war, wie in Fesseln gelegt schien, aus einem Gefühl der Furcht, der Schuld oder was auch immer. Niemand außer Jane hatte bei ihm diese Befreiung bewirkt. Vielleicht mit Ausnahme einer Frau: einer Vietnamesin, mit der er 1970 eine kurze, zum Scheitern verurteilte Affäre gehabt hatte.
    Jetzt war ihm wohl bewusst , dass er nie aufgehört hatte, Jane zu lieben. Im vergangenen Jahr hatte er seine Arbeit verrichtet, sich mit Frauen verabredet, Petal besucht und war zum Supermarkt gegangen wie ein Schauspieler, der eine Rolle spielte. Wäre er nicht nach Afghanistan gekommen, er hätte Jane bestimmt ewig nachgetrauert.
    Es schien ihm, dass er oft blind war gegenüber den wichtigsten Dingen, die ihn selbst betrafen. 1968 zum Beispiel war ihm nicht bewusst gewesen, dass er für sein Land kämpfen wollte; er hatte sich nicht klargemacht, dass er Gill heiraten wollte; in Vietnam hatte er nicht begriffen, dass er gegen den Krieg war. Jede einzelne Erkenntnis war für ihn bestürzend gewesen, und das hatte schließlich sein ganzes Leben von Grund auf umgekrempelt. Und dennoch: Selbsttäuschung war nicht notwendigerweise etwas Schlechtes, ohne Selbsttäuschung hätte er den Krieg nicht überleben können, und wäre er je nach Afghanistan gegangen, wenn er sich nicht eingeredet hätte, dass ihm an Jane im Grunde nichts mehr lag?
    Aber habe ich sie jetzt? fragte er sich. Viel hatte sie nicht gesagt. Ich liebe dich, Liebling,schlafe gut. Noch nie, so schien ihm, hatte er so wunderbare Worte gehört. »Worüber lächelst du?«
    Er öffnete die Augen und sah sie an. »Ich dachte, du schläfst noch«, sagte er.
    »Ich habe dich beobachtet. Du siehst so glücklich aus.«
    »Ja.« Tief atmete er die kühle Morgenluft ein und stützte sich auf einem Ellbogen hoch, um über das Tal hinwegzublicken. Im frühen Licht wirkten die Felder fast farblos, und der Himmel war perlgrau.
    Ellis wollte gerade antworten, als er plötzlich ein Geräusch hörte, ein Brummen. Er drehte den Kopf und lauschte.
    »Was ist denn?« fragte sie.
    Er legte einen Finger auf ihre Lippen. Einen Augenblick später vernahm auch sie das Geräusch. Innerhalb weniger Sekunden schwoll es an und wurde unverkennbar: Hubschrauber im Anflug!
    Sekunden später tauchten über dem Bergkamm mehrere Maschinen hervor: drei der › buckligen ‹ Kampfhubschrauber, allesamt schwer bestückt, sowie einer der großen Transporthelikopter, vermutlich voller Soldaten.
    »Zieh den Kopf ein!« rief Ellis.
    Der Schlafsack war braun und staubig wie der Boden ringsum; wenn sie sich versteckten, mochten sie von der Luft aus nicht auszumachen sein. Die Guerillas verhielten sich genauso, um für

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