Die Löwen
sein Gespräch mit dem Piloten beendete. Er grübelte über das Gehörte nach. Allem Anschein nach war ein Suchtrupp unten in Mundol der Beute ziemlich nah. Vielleicht würde man Ellis und Jane morgen schon gefangen nehmen können. Ihr Fluchtversuch war praktisch von Anfang an mehr oder weniger zum Scheitern verurteilt gewesen. Dennoch konnte er nicht aufhören, sich Sorgen zu machen. Seine innere Anspannung würde sich erst legen, wenn die beiden, an den Händen gefesselt, hinter Schloss und Riegel saßen.
Der Pilot setzte seine Kopfhörer ab und sagte: »Wir werden Sie in dieser Maschine nach Mundol fliegen. Der Transporthubschrauber wird die anderen zum Stützpunkt bringen.«
»Okay.«
Wenige Minuten später befanden sie sich in der Luft. Es war fast schon dunkel, und Jean-Pierre fragte sich, ob das Dorf Mundol jetzt noch so ohne Weiteres zu finden war.
Während sie Fluss aufwärts flogen, nahm die Dunkelheit weiter zu. Die Landschaft unten war kaum noch zu erkennen. Der Pilot stand in dauerndem Sprechfunkkontakt, und Jean-Pierre folgerte daraus, dass er von den Russen geleitet wurde, die bereits in Mundol gelandet waren. Nach zehn oder fünfzehn Minuten sahen sie unter sich starke Lichter.
Etwa einen Kilometer davon entfernt schimmerte auf einem großen Gewässer der Widerschein des Mondes. Der Hubschrauber sackte tiefer und landete auf einem Feld neben einem anderen Helikopter.
Ein Soldat führte Jean-Pierre über die Wiese zu einem Dorf. Die Silhouetten der Holzhäuser waren von Mondlicht umrahmt. Jean-Pierre folgte dem Soldaten in eines der Häuser. Und dort, in einen großen Mantel aus Wolfspelz gehüllt, saß auf einem Klappstuhl Anatoli. Er war offensichtlich allerbester Laune.
»Jean-Pierre, mein französischer Freund, wir sind dem Erfolg nahe!« sagte er laut.
Irgendwie war es sonderbar, einen Mann mit einem asiatischen Gesicht in so herzlicher und jovialer Stimmung zu sehen. »Trink etwas Kaffee - es ist Wodka drin.«
Eine Afghanin, die offenbar die Aufgabe hatte, Anatoli zu bedienen, gab Jean-Pierre einen Pappbecher. Der Franzose nahm auf einem Klappstuhl Platz, der genauso aussah wie der, auf dem Anatoli saß. Sie sahen beide sehr nach Armee aus, diese Stühle. Wenn die Russen überall so viel Zeug mit sich schleppten – Klappstühle, Kaffee, Pappbecher und Wodka -, dann kamen sie vermutlich nicht schneller voran als Ellis und Jane.
Anatoli schien Jean-Pierres Gedanken zu lesen. »Ich habe in meinem Hubschrauber ein paar feine Sachen mitgebracht«, sagte er mit einem Lächeln. »Der KGB legt Wert auf einen eigenen Stil, wie du weißt.«
Jean-Pierre konnte Anatolis Gesichtsausdruck nicht deuten, und er wusste nicht, ob der Russe im Ernst sprach oder nur scherzte. Er wechselte das Thema. »Was gibt’s Neues?«
»Unsere Flüchtlinge sind heute zweifellos durch die Dörfer Bosaydur und Linar gekommen. Irgendwann am Nachmittag verlor der Suchtrupp seinen Führer - er verschwand einfach. Wahrscheinlich entschloss er sich, nach Hause zurückzukehren.« Anatoli runzelte die Stirn, als genüge ihm diese Erklärung selber nicht, und sprach dann weiter.
»Zum Glück fand man fast umgehend einen anderen Führer.«
»Wobei euch eure hoch entwickelte Überredungstechnik beim Rekrutieren zweifellos gute Dienste geleistet hat«, sagte Jean-Pierre.
»Nein. Weil sich das merkwürdigerweise als überflüssig erwies. Denn der zweite Führer, so hat man mir berichtet, ist ein echter Freiwilliger. Er ist hier irgendwo im Dorf.«
»Schon möglich, hier in Nuristan«, überlegte Jean-Pierre. »Erstens sind die Leute hier kaum in den Krieg verwickelt - und zweitens heißt es ja, sie seien völlig ohne Skrupel.«
»Dieser neue Mann behauptet sogar, die Flüchtlinge heute noch selbst gesehen zu haben, bevor er zu uns stieß. Sie sind ihm an der Stelle begegnet, wo der Linar in den Nuristan mündet. Er sah, dass sie sich südwärts wandten. In diese Richtung.«
»Gut!«
»Heute Abend, als der Suchtrupp hier in Mundol eintraf, fragte unser Mann ein paar Dörfler und erfuhr, am Nachmittag seien zwei Fremde mit einem Baby durch das Dorf gekommen und in Richtung Süden weitergewandert.«
»Dann gibt es keinen Zweifel«, sagte Jean-Pierre zufrieden.
»Nicht den geringsten«, pflichtete Anatoli bei. »Morgen haben wir sie. Ganz bestimmt.«
Jean-Pierre erwachte auf einer aufblasbaren Matratze -ein weiterer KGB-Luxus - auf dem Erdboden des Hauses. In der Nacht war das Feuer erloschen, und die Luft
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