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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Leute sind sich vielleicht nicht sicher, weil sie Amerikaner nicht von Engländern unterscheiden können.«
    »Schon möglich«, sagte Anatoli wieder. »Der Mann sagte, es sei kein Baby dabei.«
    »Kein Baby?« Jean-Pierre runzelte die Stirn. Wie konnte das sein? Hatte Jane Chantal im Fünf-Löwen-Tal zurückgelassen, in Rabias oder Zaharas oder Faras Obhut? Das schien undenkbar. Oder hatte sie das Baby kurz zuvor bei einer Familie versteckt, in diesem Dorf - Atati -, wo sie und Ellis dem Suchtrupp in die Hände gefallen waren? Auch das war nicht sehr wahrscheinlich: Jane würde ihrem Instinkt folgen und das Baby gerade in Zeiten der Gefahr stets bei sich haben wollen.
    War Chantal tot?
    Wahrscheinlich handelt es sich um einen Irrtum, dachte Jean-Pierre, um einen Übermittlungsfehler, was wegen der atmosphärischen Störungen leicht möglich schien.
    Es konnte auch sein, dass ein sturer Offizier des Suchtrupps das winzige Bündel einfach übersehen hatte.
    » Lass uns nicht lange spekulieren«, sagte er zu Anatoli.
    »Fliegen wir doch hin und überzeugen uns mit eigenen Augen.«
    »Ich möchte, dass du dabei bist«, sagte Anatoli.
    »Natürlich«, erwiderte Jean-Pierre – und stutzte plötzlich. »Und du? Willst du nicht mitfliegen?«
    »Richtig.«
    »Warum nicht?«
    »Ich werde hier gebraucht.« Anatoli warf einen kurzen Blick auf den General.
    »In Ordnung.« Zweifellos gab es Machtkämpfe innerhalb der Militärbürokratie: Solange sich der General hier befand, wollte Anatoli in dessen Nähe bleiben, damit ihn kein Rivale hinter seinem Rücken verleumden konnte.
    Anatoli griff zum Telefon und gab auf russisch eine Reihe von Befehlen durch. Während er noch sprach, betrat eine Ordonnanz das Zimmer und winkte Jean-Pierre. Anatoli bedeckte die Sprechmuschel mit der Hand und sagte: »Man wird dir einen warmen Mantel geben - in Nuristan ist bereits Winter .«
    Jean-Pierre verließ mit der Ordonnanz das Zimmer. Sie gingen über das betonierte Rollfeld. An einer Stelle warteten bereits, mit rotierenden Drehflügeln, zwei Hubschrauber, ein glotzäugiger Kampfhelikopter mit Raketenbehältern unter den Stummelflügeln und ein deutlich größerer Transporthubschrauber mit einer Reihe Bullaugen im Rumpf. Wozu die Transportmaschine? dachte Jean-Pierre und gab sich die Antwort selbst: um den Suchtrupp an Bord zu nehmen und die Leute zurückzufliegen. Als sie schon fast bei den Hubschraubern waren, kam ein Soldat herbeigerannt, der Jean-Pierre einen Uniformmantel brachte. Der Franzose legte sich das Kleidungsstück über den Arm und stieg in den Kampfhubschrauber.
    Gleich darauf hoben sie ab. Jean-Pierre befand sich in einem fieberhaften Erwartungszustand. Mit einem halben Dutzend Soldaten saß er auf der Bank in der Passagierkabine. Die Maschine flog in nordöstlicher Richtung.
    Als der Luftstützpunkt hinter ihnen lag, winkte der Pilot Jean-Pierre zu sich. Der Franzose stellte sich weiter vorn auf die Stufe, sodass er sich mit dem Piloten unterhalten konnte.
    »Ich werde Ihr Übersetzer sein«, sagte der Mann in stockendem Französisch.
    »Danke«, erwiderte Jean-Pierre. »Wissen Sie, wo’s hingehen soll?« »Jawohl, Monsieur.
    Wir haben die Koordinaten, und ich kann über Funk mit dem Befehlshaber des Suchtrupps sprechen.«
    »Ausgezeichnet.« Jean-Pierre war überrascht, dass er mit so viel Respekt behandelt wurde. Wegen seiner Zusammenarbeit mit dem KGB-Oberst schien er so etwas wie einen Ehrenrang zu bekleiden.
    Während er zu seinem Sitz zurückkehrte, fragte er sich unwillkürlich, wie Jane wohl dreinschauen würde, wenn er so unvermutet auftauchte. Würde sie erleichtert sein?
    Trotzig? Oder ganz einfach erschöpft? Was Ellis betraf, so schien alles klar. Seine Reaktion würde eine Mischung aus ohnmächtigem Zorn und Demütigung sein. Wie verhalte ich mich am besten? dachte Jean-Pierre. Ich möchte, dass sie sich vor mir winden, und will selbst die Würde wahren. Was soll ich zu ihnen sagen?
    Er versuchte, sich die Szene bildlich vorzustellen. Ellis und Jane würden sich auf dem Hof irgendeiner Moschee befinden oder vielleicht auf dem Erdboden in einer Steinhütte sitzen, womöglich gefesselt, bewacht von Soldaten mit Kalaschnikows. Jean-Pierre würde in seinem russischen Uniformmantel eintreten, selbstsicher, die Szene beherrschend, gefolgt von respektvollen, rangniederen Offizieren. Mit einem langen, durchdringenden Blick würde er die beiden Gefangenen betrachten und sagen …
    Was würde er sagen? So trifft man

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