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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Jetzt!«
    Vorsichtig legte Jane die Auslösevorrichtung auf den Boden beim rauschenden Bach.
    Inzwischen hatten die Soldaten sie entdeckt. Zwei Männer kletterten auf der Seite der Schlucht hoch, wo Ellis stand. Die anderen umzingelten Jane, richteten ihre Gewehre gegen sie und ihr Baby, musterten sie mit verlegenen, betretenen Mienen. Sie ignorierte die Soldaten und beobachtete Ellis. Er kletterte die Felswand herab. Die beiden Männer, die ihn hatten herunterholen wollen, hielten in ihren Bewegungen inne und warteten ab, was er tun würde.
    Er erreichte den Boden der Schlucht und ging langsam auf Jane zu. Denn stand er vor ihr. »Warum?« fragte er. »Warum hast du es nicht getan?«
    Weil sie so jung sind, dachte sie; weil sie jung sind und unschuldig, und weil sie mich nicht töten wollen. Weil es Mord gewesen wäre. Vor allem aber.
    »Weil sie Mütter haben«, sagte sie.
    Jean Pierre öffnete die Augen. Neben seinem Feldbett hockte eine untersetzte Gestalt, Anatoli. Hinter Anatoli fiel helles Sonnenlicht durch die Zeltöffnung herein. Für einen Augenblick überkam Jean-Pierre ein Gefühl der Panik; er begriff nicht, warum er so lange geschlafen hatte oder was er versäumt haben mochte. Aber dann erinnerte er sich blitzartig an die Ereignisse der vergangenen Nacht.
    Er und Anatoli lagerten an einer Stelle des Aufstiegs zum Kantiwar-Paß. Gegen halb drei Uhr früh waren sie geweckt worden, und zwar von dem befehlshabenden Hauptmann des Suchtrupps, der seinerseits vom wachhabenden Soldaten aus dem Schlaf gerissen worden war. Der Hauptmann meldete, ein junger Afghane namens Halam sei ins Lager gestolpert und habe in einem Gemisch aus Französisch, Englisch und Russisch berichtet, dass er der Führer der Amerikaner gewesen sei, diese ihn jedoch so sehr beleidigt hätten, dass er sie im Stich gelassen habe. Als man ihn fragte, wo sich die Amerikaner denn jetzt befänden, hatte er sich erboten, die Russen zu der Steinhütte zu führen, wo die Flüchtlinge noch immer arglos im Schlaf lägen.
    Jean-Pierre war dafür gewesen, sofort in den Hubschrauber zu klettern und loszubrausen.
    Anatoli zeigte sich umsichtiger. »In der Mongolei haben wir ein Sprichwort: Krieg keinen Steifen, ehe die Hure nicht ihre Beine öffnet«, sagte er. »Erstens könnte es sein, dass dieser Halam lügt. Aber selbst wenn er die Wahrheit sagt, ist es - zweitens - sehr wohl möglich dass er die Hütte nicht wiederfindet, zumal nachts, zumal aus der Luft. Und selbst wenn er sie findet, so könnten – drittens – die Flüchtlinge inzwischen verschwunden sein.«
    »Was sollten wir also deiner Meinung nach tun?«
    »Einen Vortrupp in Marsch setzen – ein Hauptmann, fünf Soldaten und ein Pferd, außerdem natürlich dieser Halam. Die können sofort aufbrechen. Und wir können uns ausruhen, bis sie die Flüchtigen finden.«
    Seine Umsicht hatte sich als richtig erwiesen. Um halb vier meldete der Vortrupp per Funk, die Steinhütte sei leer. Allerdings, so wurde hinzugefügt, gebe es in der Hütte ein Feuer, das noch nicht ganz erloschen sei; Halam habe also vermutlich die Wahrheit gesagt.
    Anatoli und Jean-Pierre kamen zu dem Schluss , dass Ellis und Jane in der Nacht aufgewacht waren und Halams Verschwinden entdeckt hatten, woraufhin sie sich entschlossen, sofort weiterzufliehen. Anatoli befahl dem Vortrupp, sich auf ihre Spur zu setzen; Halams Aufgabe war es, die wahrscheinlichste Route zu wählen.
    Jean-Pierre hatte sich wieder ins Bett gelegt und war in einen bleiernen Schlaf gefallen, sodass er bei Tagesanbruch nicht munter wurde. Jetzt betrachtete er Anatoli aus verquollenen Augen und fragte: »Wie spät ist es?«
    »Acht Uhr. Und wir haben sie gefasst .«
    Jean-Pierres Herz schlug höher - doch dann fiel ihm ein, dass er dieses Gefühl schon einmal empfunden hatte und enttäuscht worden wer. »Ist das auch sicher?« fragte er.
    »Sobald du deine Hosen anhast, können wir losfliegen und uns mit eigenen Augen überzeugen.«
    Jean-Pierre war im Handumdrehen angekleidet. Als sie gerade an Bord ihrer Maschine gehen wollten, traf ein Hubschrauber zum Nachtanken ein, und Anatoli meinte, sie sollten warten, bis die Tanks der anderen Maschine wieder aufgefüllt seien. Jean-Pierre blieb nichts übrig, als seine steigende Ungeduld noch ein wenig zu bezähmen.
    Wenige Minuten später hoben sie ab. Durch die offene Tür betrachtete Jean-Pierre die Landschaft. Als sie hinaufflogen in die Berge, sah Jean-Pierre, dass dies das ödeste und raueste Territorium

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