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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ziehen.«
    »Nein«, sagte Rabia.
    Wieder spürte Jane den Druck. Im selben Augenblick sagte Rabia: »Leicht pressen für die Schulter.« Jane schloss die Augen und presste sacht.
    Ein wenig später sagte Rabia: »Jetzt die andere Schulter.«
    Wieder presste Jane, und dann war alle Anspannung fast völlig fort, und sie wusste , dass sie das Kind zur Welt gebracht hatte. Sie blickte nach unten und sah die winzige Gestalt in Rabias Arm. Die Haut war runzlig und feucht und der Kopf bedeckt mit dunklem, gleichfalls feuchtem Haar. Die Nabelschnur sah sonderbar aus: wie ein dickes, blaues Seil, in dem es wie in einer Ader pulsierte.
    »Ist alles in Ordnung?« fragte Jane.
    Rabia gab keine Antwort. Sie spitzte die Lippen gegen das wie starre Gesicht des Kindes.
    O Gott, es ist tot, dachte Jane.
    »Ist es in Ordnung?« wiederholte sie.
    Rabia blies abermals, und das Baby öffnete seinen winzigen Mund und schrie.
    Jane sagte: »Oh, Gott sei Dank - es lebt.«
    Rabia nahm saubere Wolle vom niedrigen Tisch und tupfte damit das Gesicht des Kindes ab.
    »Ist es normal?« fragte Jane.
    Endlich sprach Rabia. Sie blickte Jane in die Augen und sagte lächelnd: »Ja. Sie ist normal.«
    Sie ist normal, dachte Jane. Sie. Ich habe ein kleines Mädchen zur Welt gebracht. Ein Mädchen!
    Plötzlich fühlte sie sich völlig kraftlos. Sie konnte sich nicht länger aufrecht halten.
    »Ich möchte mich hinlegen«, sagte sie.
    Zahara half ihr zur Matratze und schob ihr Kissen hinter den Rücken, sodass sie aufrecht sitzen konnte, während Rabia das Baby hielt, das durch die Nabelschnur noch immer mit Jane verbunden war. Als Jane saß, begann Rabia, das Baby mit Wattestückchen trocken zu tupfen . Jane sah, wie die Nabelschnur aufhörte zu pulsieren, wie sie zu schrumpfen und weiß zu werden begann. »Du kannst die Schnur jetzt durchschneiden«, sagte sie zu Rabia.
    Rabia blickte skeptisch, tat es jedoch. Sie nahm eine Art weißen Bindfaden vom Tisch und schlang ihn, etliche Zentimeter vom Nabel des Babys, um die Nabelschnur. Etwas näher wäre besser, dachte Jane, aber es kommt nicht so darauf an.
    Rabia wickelte die frische Rasierklinge aus. »Im Namen Allahs«, sagte sie und schnitt die Schnur durch.
    »Gib sie mir«, sagte Jane.
    Rabia reichte ihr das Baby. » Lass sie nicht saugen«, erklärte sie.
    Jane wusste , dass Rabia in diesem Punkt irrte. »Es hilft der Nachgeburt«, sagte sie.
    Rabia zuckte die Achseln.
    Jane legte das Gesicht des Babys an ihre Brust. Ihre Brustwarzen waren vergrößert, mit einem wunderbaren Gefühl für Reize, so wie wenn Jean-Pierre ihre Brüste küsste . Als ihre Brustwarze die Wange des Babys berührte, drehte das Kind automatisch den Kopf und öffnete seinen kleinen Mund. Sobald es die Brustwarze zwischen den Lippen hatte, begann es zu saugen. Zu Janes Erstaunen löste das ein Gefühl aus, das irgendwie sexy war. Für einen Augenblick war sie schockiert, dann dachte sie: Was soll’s.
    In ihrem Unterleib spürte sie weitere Bewegungen. Sie gehorchte dem Drang zu pressen, und dann fühlte sie, wie die Plazenta herauskam, ein schlüpfriges Etwas. Rabia wickelte sie sorgfältig in einen Lappen.
    Das Baby hörte auf zu saugen und schien in Schlaf zu fallen.
    Zahara reichte Jane einen Becher mit Wasser. Sie leerte ihn auf einen Zug. Das Wasser schmeckte wunderbar, so gut wie nie zuvor. Sie bat um mehr.
    Sie fühlte sich wund, erschöpft und wundersam glücklich. Sie betrachtete das kleine Mädchen, das friedlich an ihrer Brust schlief. Und sie war selber schlafbereit.
    Rabia sagte: »Wir sollten das Kleine einwickeln.«
    Jane hob das Baby hoch – es war leicht wie eine Puppe - und reichte es der alten Frau.
    »Chantal«, sagte sie, als Rabia ihr das kleine Mädchen annahm. »Ihr Name ist Chantal.«
    Dann schloss sie die Augen.
     
     

5
     
     
    ELLIS THALER FLOG mit einer Maschine der Eastern Airlines von Washington nach New York. Auf dem La-Guardia-Flughafen stieg er in ein Taxi und fuhr zum Plaza-Hotel in New York City. Der Fahrer setzte ihn vor dem Eingang in der Fifth Avenue ab. Ellis betrat das Hotel. Im Foyer wandte er sich nach links und ging zu den Fahrstühlen auf der Seite der 58. Straße. Ein Mann in einem eleganten Straßenanzug und eine Frau mit einer Tragetasche von Saks stiegen zusammen mit ihm ein. Der Mann stieg im siebten Stock aus. Ellis stieg im achten aus. Die Frau fuhr weiter. Ellis ging den grottenartigen Hotelkorridor entlang, bis er zu den Fahrstühlen auf der Seite der 59. Straße kam.

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