Die Löwen
Von dort fuhr er hinunter ins Erdgeschosserdgeschoss und verließ das Hotel durch den Ausgang zur 59. Straße.
Jetzt war er sicher, dass er nicht beschattet wurde. Auf der Südseite des zentralzentral Park winkte er ein Taxi herbei, fuhr darin zur Penn Station und nahm den Zug nach Douglaston, Queens.
Während er im Zug saß, gingen ihm einige Zeilen aus Audens Lullaby durch den Kopf. Es war über ein Jahr her, dass er in Paris den aufstrebenden amerikanischen Dichter gespielt hatte, doch eine Schwäche für Lyrik war ihm geblieben.
Er fuhr fort, sich zu vergewissern, dass ihm kein Schatten folgte, denn von dieser Verabredung durften seine Feinde auf keinen Fall jemals erfahren. In Flushing stieg er aus und wartete auf dem Bahnsteig auf den nächsten Zug. Außer ihm wartete niemand.
Wegen all dieser Vorsichtsmaßnahmen war es schon fünf Uhr, als er in Douglaston ankam. Vom Bahnhof aus ging er etwa eine halbe Stunde lang zu Fuß, in flottem Tempo.
Er überlegte sich, wie er die Sache angehen sollte und mit was für Reaktionen er zu rechnen hatte.
Er gelangte zu einer Vorortstraße mit Blick auf den Long Island Sund und blieb vor einem gepflegten kleinen Haus stehen, dessen nachempfundener Tudorstil die entsprechenden Giebel und ein buntes Glasfenster aufwies. In der Auffahrt stand ein kleines Auto, ein japanisches Fabrikat. Als er den Weg zum Eingang entlangschritt, öffnete ein blondes Mädchen von dreizehn Jahren die Tür.
Ellis sagte: »Hallo, Petal.«
»Hi, Daddy«, erwiderte sie.
Er beugte sich vor, um sie zu küssen, wie stets mit einem Gefühl des Stolzes - und mit schlechtem Gewissen.
Er betrachtete sie aufmerksam. Unter ihrem T-Shirt mit dem Bild von Michael Jackson trug sie einen BH. Zweifellos noch nicht lange. Sie ist im Begriff, eine Frau zu werden.
Nicht zu fassen.
»Möchtest du nicht einen Augenblick hereinkommen?« fragte sie höflich.
»Natürlich.«
Er folgte ihr ins Haus. Von hinten wirkte sie noch weiblicher. Er fühlte sich an seine erste Freundin erinnert. Fünfzehn war er gewesen und sie nicht viel älter als Petal jetzt… Nein, Augenblick mal, dachte er: Sie war jünger, erst zwölf. Und ich hab’ ständig an ihrem Pulli herumgetätschelt. Möge der Himmel meine Tochter vor fünfzehnjährigen Jungen beschützen!
Sie betraten ein kleines, hübsches Wohnzimmer. »Möchtest du dich nicht setzen?« fragte Petal.
Ellis setzte sich.
»Kann ich dir irgendetwas anbieten?« fragte sie.
»Sei doch nicht so förmlich«, sagte er zu ihr. »Schließlich bin ich dein Daddy.«
Sie wirkte verwirrt und unsicher, als sei sie für einen Fehler getadelt worden, von dem sie nicht gewusst gewusst hatte, dass es ein Fehler war. Nach einigen Sekunden sagte sie: »Ich muss mich kämmen. Dann können wir gehen. Entschuldige mich.«
»Natürlich«, sagte Ellis. Sie verließ das Zimmer. Ihre Förmlichkeit schmerzte ihn. Es war ein Zeichen dafür, dass er immer noch ein Fremder für sie war. Manchmal verbrachten sie einen ganzen Tag miteinander, aber meistens führte er sie, so wie heute, nur zum Dinner aus. Für diese kurze Stunde musste er, um absolute Sicherheit zu gewährleisten, eine fünfstündige Fahrt in Kauf nehmen. Es war ihm noch nicht gelungen, als normales Familienmitglied von ihr akzeptiert zu werden.
Seit seiner Rückkehr aus Paris hatte er sich mit ihr wenigstens einmal im Monat getroffen. Aber das war ihr nicht direkt bewusst bewusst . Sein Ziel war bescheiden: Unauffällig und ohne jede Dramatik wollte er versuchen, im Leben seiner Tochter einen kleinen, jedoch dauerhaften Platz einzunehmen.
Das hatte bedeutet, dass er in anderer Funktion tätig sein musste , keinesfalls mehr in jener Art von Außendienst wie in Paris. Seinen Vorgesetzten missfiel das sehr. Es gab nur wenige gute Geheimagenten, dagegen Hunderte von schlechten. Er selbst hatte seinen Entschlussss widerwillig gefasst war es seine Pflicht, fand er, seine Fähigkeiten zu nutzen. Aber wenn er die Zuneigung seiner Tochter gewinnen wollte, konnte er nicht jedes Jahr in irgendeinen Winkel der Welt verschwinden, ohne ihr zu sagen, wohin er reiste oder warum oder auch nur, für wie lange. Auch durfte er es nicht riskieren, getötet zu werden, wo sie gerade erst anfing, ihn lieben zu lernen.
Doch fehlte ihm vieles: die Aufregung, die Gefahr, die Spannung und das Gefühl, einen Auftrag zu erfüllen, den keiner so gut ausführen konnte wie er. Doch allzu lange schon waren seine emotionalen Bindungen flüchtig gewesen, und
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