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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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bekannt wurde, dass man ihr westliche Medikamente anvertraute; und Jane hatte ihr, ohne sie zu beleidigen, sagen können, dass wahrscheinlich Rabia selbst die Infektion verursacht hatte, und zwar wegen ihrer Gewohnheit, während einer Entbindung den Geburtskanal einzuschmieren.
    Von da an kam Rabia ein-oder zweimal in der Woche zur Klinik, um mit Jane zu sprechen und ihr bei der Arbeit zuzusehen. Jane nutzte solche Gelegenheiten, um - eher beiläufig – zu erklären, warum sie sich so oft die Hände wusch, warum sie ihre Instrumente nach jedem Gebrauch in heißes Wasser legte, warum sie vor allem Kleinkindern bei Diarrhöe viel Flüssigkeit gab und manches mehr.
    Rabia revanchierte sich, indem sie Jane einige ihrer eigenen Geheimnisse verriet. Jane interessierte es, was die Tränke enthielten, die Rabia braute, und bei manchen konnte sie sich denken, auf welche Weise sie wirkten: solche zur Förderung der Empfängnisfähigkeit enthielten Kaninchenhirn oder Katzenmilz und lieferten vermutlich jene Hormone, die dem Metabolismus der betreffenden Patientin fehlten; und Minze, vor allem Katzenminze, half wahrscheinlich, Infektionen zu beseitigen, welche eine Empfängnis verhinderten.
    Rabia hatte auch ein Mittel, das Frauen ihren impotenten Männern geben konnten, und es gab keinen Zweifel, aufweiche Weise das wirkte: Es enthielt Opium.
     
    Das Misstrauen wich wechselseitiger und irgendwie wachsamer Achtung; dennoch hatte Jane Rabia nicht wegen ihrer eigenen Schwangerschaft konsultiert. Rabia ihre Mischung aus Folklore und Hexerei bei afghanischen Frauen anwenden zu lassen, war eine Sache, sich ihren Praktiken selbst auszuliefern, eine ganz andere. Außerdem hatte Jane damit gerechnet, dass Jean-Pierre sie entbinden würde. Als Rabia sie seinerzeit nach der Lage des Babys fragte und ihr eine Gemüsediät für ein Mädchen verordnete, ließ Jane keinen Zweifel daran, dass bei dieser Schwangerschaft nur westliche Methoden infrage kamen.
    Rabia war gekränkt, zweifellos, doch sie nahm die Entscheidung mit Würde hin. Und jetzt befand sich Jean-Pierre in Khawak, und Rabia war hier bei Jane, die sich sehr erleichtert fühlte, die Hilfe einer alten Frau zu haben, welche Hunderte von Entbindungen vorgenommen und selbst elf Kinder zur Welt gebracht hatte.
    Die Schmerzen waren schon eine Zeit lang ausgeblieben, statt dessen hatte Jane in den letzten Minuten, während sie Rabia bei ihren Verrichtungen zusah, in ihrem Unterleib ein neues Gefühl wahrgenommen, das unverkennbare Gefühl eines Drucks, begleitet von einem zunehmenden Drang zu pressen. Der Drang wurde unwiderstehlich, und während sie presste , stöhnte sie, aber nicht vor Schmerz, sondern vor Anstrengung.
    Sie hörte Rabias Stimme, wie aus der Ferne: »Es fängt an. Das ist gut.«
    Nach einer Weile legte sich der Drang. Zahara brachte einen Becher mit grünem Tee.
    Jane setzte sich auf und nippte dankbar. Der Tee war warm und sehr süß. Zahara ist im selben Alter wie ich, dachte Jane, und sie hat bereits vier Kinder zur Welt gebracht, Fehlgeburten nicht mitgerechnet. Doch sie war eine jener Frauen, die voller Vitalität zu sein schienen, wie eine gesunde junge Tigerin. Sie würde wahrscheinlich noch mehrere Kinder haben. Während in der Anfangszeit die meisten Frauen misstrauisch-misstrauisch und feindselig gewesen waren, hatte Zahara Jane mit unverkennbarer Neugier begrüßt; und Jane hatte bald erkannt, dass Zahara so manche der Sitten und Traditionen im Tal für unsinnig hielt und begierig darauf war, soviel wie möglich von ausländischen Ideen über Gesundheit, Kinderpflege und Ernährung zu lernen. Und so war Zahara nicht nur Janes Freundin geworden, sondern gewissermaßen auch die Vorhut für ihr Programm zur Gesundheitserziehung.
    An diesem Tag jedoch lernte Jane afghanische Methoden kennen. Sie sah, wie Rabia auf dem Fußboden eine Plastikplane ausbreitete (was mochte man in jener Zeit benutzt haben, als es noch kein Plastik hier gegeben hatte?) und mit einer Schicht Sand bedeckte, den Zahara in einem Eimer von draußen holte. Rabia hatte etliche Gegenstände auf einen niedrigen Tisch gelegt, und Jane stellte zufrieden fest, dass dazu auch saubere Watte und eine noch in ihrer Hülle steckende Rasierklinge gehörten.
    Wieder überkam sie dieser Drang zu pressen, und Jane schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Es tat nicht eigentlich weh; es war mehr wie eine unglaubliche, unmögliche Verstopfung. Sie begann zu stöhnen, aber nicht vor Schmerzen, sondern

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