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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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    »Jetzt hör mir mal genau zu«, sagte Anatoli geduldig. »Erstens ist deine Arbeit beendet.
    Du hast deinen Auftrag in Afghanistan ausgeführt. Du hast dein Ziel erreicht. Morgen werden wir Masud gefangen nehmen . Du kannst nach Hause reisen. Zweitens bist du jetzt ein Sicherheitsrisiko. Du weißt, was wir für morgen planen, und deshalb darfst du aus Geheimhaltungsgründen nicht im Rebellengebiet bleiben.«
    »Aber ich würde doch niemandem etwas davon sagen!«
    »Und wenn man dich foltert? Oder deine Frau, vor deinen Augen? Oder wenn man damit droht, dein Töchterchen vor den Augen deiner Frau buchstäblich in Stücke zu reißen?«
    »Aber was wird mit ihnen, wenn ich mit euch mitfliege?«
    »Bei der Aktion morgen kümmern wir uns um sie. Wir bringen sie dann zu dir.«
    »Ich kann’s einfach nicht glauben.« Jean-Pierre wusste , dass Anatoli recht hatte, dennoch war die Vorstellung, nicht mehr nach Banda zurückzukehren, so überraschend, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Würden Jane und Chantal sicher sein?
    Würden die Russen sich wirklich um sie kümmern?
    »Steig ein«, wiederholte Anatoli.
    Die beiden afghanischen Boten hatten Jean-Pierre in die Mitte genommen, und jetzt endlich begriff er, dass ihm gar keine Wahl blieb: Falls er sich weigerte, würden sie ihn zwingen.
    Er kletterte in den Hubschrauber. Anatoli und die Afghanen folgten, und der Helikopter hob ab.
    Zum ersten Mal erblickte Jean-Pierre das Fünf-Löwen-Tal aus der Vogelperspektive. Der weiße Fluss , der durch das dunkle Land mäanderte, erinnerte ihn an die von einer Messerwunde stammende Narbe auf der braunen Stirn von Schahazai Gul, dem Bruder der Hebamme. Er sah Banda und die schachbrettartig angelegten gelben und grünen Felder. Aufmerksam musterte er den Hang, an dem sich die Höhlen befanden, konnte jedoch keinerlei Anzeichen von Leben entdecken: Die Dorfbewohner hatten ihr Versteck gut gewählt.
    Der Hubschrauber stieg noch höher, änderte den Kurs; Jean-Pierre konnte Banda nicht mehr sehen. Er hielt Ausschau nach anderen vertrauten Formationen. Ein Jahr meines Lebens habe ich dort verbracht, dachte er, und ich werde es niemals wiedersehen. Er entdeckte das Dorf Darg mit seiner zerstörten Moschee. Dieses Tal, ging es ihm durch den Kopf, wird schon morgen die Gedenkstätte für eine gescheiterte Rebellion sein. Und das ist mein Werk.

11
     
     
    ALS FARA ERFUHR, dass Jane und Jean-Pierre mit dem nächsten Konvoi abreisen würden, weinte sie einen ganzen Tag. Sie hatte eine starke Anhänglichkeit an Jane und eine große Zuneigung zu Chantal entwickelt. Jane fühlte sich geschmeichelt, aber es war ihr auch peinlich: Mitunter hatte es den Anschein, als ob Fara Jane ihrer eigenen Mutter vorzog.
    Aber dann schien sich Fara doch abzufinden mit dem Gedanken, dass Jane fortgehen würde, und am nächsten Tag war sie wieder sie selbst, willig wie stets, aber nicht mehr so traurig.
    Was Jane betraf, so erfüllte der Gedanke an den ersten Teil der Heimreise sie mit einer gewissen nervösen Spannung. Vom Tal zum Khaiber-Paß war es ein etwa 250 Kilometer langer Treck. Bei der Herreise hatte der Konvoi vierzehn Tage dafür gebraucht, und Jane erinnerte sich noch gut an die Blasen an den Füßen, an den Durchfall und an alle möglichen Schmerzen und Wehwehchen. Jetzt auf der Rückreise würde sie ein zwei Monate altes Baby tragen müssen. Die Tatsache, dass man Pferde mitführte, war ein geringer Trost, denn über den größten Teil der Strecke würden sie vermutlich gar nicht reiten können; die Konvois benutzten meist die schmälsten und steilsten Gebirgspfade, und das oftmals nachts.
    Aus Baumwollstoff machte sie eine Art Minihängematte, deren eines Ende sie sich um den Hals schlingen konnte: eine Trage für Chantal. Jean-Pierre seinerseits würde sich mit allem abschleppen müssen, was sie tagsüber brauchten, denn dies war eine der Erfahrungen, die Jane auf der Herreise gemacht hatte: Menschen und Pferde bewegten sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit voran – bergauf waren die Pferde schneller als die Menschen, bergab waren sie langsamer, sodass man oft für längere Zeit von seinem Gepäck getrennt war.
    Was würden sie alles für die Reise brauchen? Diese Frage beschäftigte Jane an dem Nachmittag, an dem Jean-Pierre sich in Skabun befand. Natürlich eine Tasche mit den notwendigsten Medikamenten etc. - darum würde sich Jean-Pierre kümmern. Außerdem brauchten sie Proviant. Auf der Herreise hatten sie

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