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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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nicht, ob das eine mögliche Route ist«, sagte Ellis. »Das Gelände dort mag unpassierbar sein - da muss t du die Guerillas fragen. Außerdem sind Masuds Informationen mindestens ein oder zwei Tage alt, und die Russen stoßen immer noch weiter vor.
    Es kann sein, dass ein Tal oder ein Pass heute noch offen ist, aber morgen schon nicht mehr.«
    »Verdammt!« Dass sie aufsteckte, kam überhaupt nicht infrage . Sie beugte sich über die Karte und studierte aufmerksam das Grenzgebiet. »Sieh doch, der Khaiber-Paß ist nicht der einzige Weg nach drüben.«
    »Entlang der Grenze verläuft ein Fluss tal mit Bergen auf der afghanischen Seite. Vielleicht kann man jene anderen Pässe nur von Süden her erreichen – und das hieße durch russisch besetztes Territorium.«
    »Spekulieren hat keinen Zweck«, sagte Jane. Sie schob die Karten übereinander und rollte sie zusammen. »Irgendwer muss das doch wissen.« »Vermutlich.«
    Sie stand auf. »Bestimmt gibt es mehr als nur einen Weg, um aus diesem verdammten Land hinauszugelangen«, sagte sie und klemmte sich die Landkarten unter einen Arm.
    Dann verließ sie das Haus, während Ellis ihr verblüfft nachsah.
    Inzwischen waren die Frauen und die Kinder aus den Höhlen zurückgekehrt, und im Dorf herrschte Leben. Von den Kochfeuern zog Rauch über die Hofmauern hinweg. Vor der Moschee saßen fünf Kinder im Kreis und spielten ein Spiel, das aus einem unerfindlichen Grund › Melone ‹ genannt wurde. Es ging dabei um das Erzählen von Geschichten: Das Kind, das gerade eine Geschichte erzählte, hörte plötzlich mittendrin auf, und das nächste Kind musste die Geschichte weiterspinnen. Eines der Kinder im Kreis war Mousa, Mohammeds Sohn, der ein gefährlich aussehendes Messer am Gürtel trug: das Geschenk seines Vaters nach dem Unfall mit der Mine. Im Augenblick war Mousa der Erzähler. Jane hörte, wie er sagte: »… und der Bär versuchte, dem Jungen die Hand abzubeißen, doch der Junge zog sein Messer …«
    Sie strebte auf Mohammeds Haus zu. Möglich, dass Mohammed selbst gar nicht da war -
    sie hatte ihn seit längerer Zeit nicht mehr gesehen -, doch er lebte zusammen mit seinen Brüdern in der üblichen afghanischen Großfamilie, und auch sie waren Guerillas - wie alle tauglichen jungen Männer -, und falls sie zu Hause waren, konnten sie Jane vielleicht ein paar Informationen geben.
    Vor dem Haus zögerte sie. Der Sitte gemäß hätte sie erst mal auf dem Hof halt machen müssen, um mit den Frauen zu sprechen, die dort das Abendessen zubereiteten; und nach ein paar höflichen Floskeln würde die älteste sich dann vielleicht bequemen, ins Haus zu gehen, um zu fragen, ob die Männer sich wohl dazu herablassen würden, mit Jane zu sprechen. In der Erinnerung hörte sie die Stimme ihrer Mutter, die zu ihr sagte:
    »Benimm dich, wie’s sich gehört!« Jane sagte laut: » lass mich in Ruhe, Mutter.« Sie trat ein, ohne die Frauen auf dem Hof zu beachten, und marschierte stracks zum vorderen Raum, dem Raum für die Männer.
    Drei befanden sich dort: Mohammeds achtzehnjähriger Bruder Khamir Khan, ein hübscher Kerl mit einem strähnigen Bart; sein Schwager Matullah; und Mohammed selbst. Es war ungewöhnlich, so viele Guerillas zu Hause zu finden. Die drei musterten Jane überrascht.
    »Gott sei mit dir, Mohammed Khan«, sagte Jane. Ohne ihm Zeit für eine Antwort zu lassen, fuhr sie fort: »Wann bist du zurückgekehrt?«
    »Heute«, erwiderte er. Sie kauerte sich auf die gleiche Weise wie die Männer hin, die zu verblüfft waren, um irgendetwas zu sagen. Dann breitete sie auf dem Boden ihre Landkarten aus. Neugierig beugten sich die drei Männer vor, um einen Blick darauf zu werfen: Janes Verstoß gegen altgewohnte Sitten hatten sie schon halb vergessen.
    »Schaut«, sagte sie. »Die Russen sind bis hierher vorgestoßen, stimmt’s?« Sie zog die Linie nach, die Ellis ihr gezeigt hatte.
    Mohammed nickte.
    »Die reguläre Konvoi-Route ist also blockiert.«
    Wieder nickte Mohammed.
    »Auf welcher Route gelangt man jetzt am besten hinaus?«
    Alle drei blickten zweifelnd drein und schüttelten die Köpfe. Dies war normal: Wenn über Schwierigkeiten gesprochen wurde, taten sie immer sehr gewichtig. Jane glaubte den Grund dafür zu kennen - die Ortskenntnis der Leute war ihre einzige Stärke gegenüber Ausländern wie Jane. Für gewöhnlich fasste sie sich in Geduld, doch dazu war sie heute nicht aufgelegt. »Warum nicht über diesen Weg?« fragte sie mit Nachdruck und zeichnete

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