Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
beruhigen, führten ihn fort, ehe Laura antworten konnte. Nur ein junger Mann blieb kurz stehen, sah die beiden Kommissare aus schmalen Augen an. «Sie sollten nicht hier bleiben!», sagte er, drehte sich um, spuckte aus und folgte den anderen.
Die Leichtigkeit war dahin. Laura bestand darauf, zum Carabinieri-Revier zu gehen und Maresciallo Sarbia zur Rede zu stellen. Er war nicht da, und sein junger Stellvertreter wusste auch nicht, wann er zurückkommen würde.
«Es hat sowieso keinen Sinn», sagte Guerrini. «Er wird leugnen, dass er den Cabuns von unserer Ankunft erzählt hat.»
Sie kletterten hinauf zur Burg, setzten sich in den Schatten einer großen Schirmpinie, schauten aufs Meer hinaus.
«Ich will mit der alten Frau reden!»
«Wenn sie dich lassen …»
«Warum bist du so zögerlich? Ermittelst du immer so?»
«Piano, piano, Laura! Wir brechen hier in ein geschlossenes System ein und müssen erst vorsichtig herausfinden, wie es funktioniert. Ich denke, wir sollten beim Priester anfangen. Der hat bei den Cabuns gerade keine guten Karten, deshalb wird er vielleicht ein bisschen mehr erzählen, als er es sonst täte!»
Sie sahen einander an. Für Bruchteile von Sekunden erschien es Laura, als würden sie sich mit den Augen messen, und merkwürdigerweise gefiel ihr dieser winzige Machtkampf – sie fand ihn erotisch.
«Bene», sagte sie heiser. «Also der Pfarrer!»
«Andiamo», erwiderte er leise, und Laura wusste, dass auch er wahrgenommen hatte, was in den letzten Minuten geschehen war.
Schweigend stiegen sie zur Pfarrkirche hinab. Zwei ältere Frauen säuberten gerade den Raum, in dem Valeria aufgebahrt gelegen hatte. Noch immer roch es nach welkenden Blumen und abgebrannten Kerzen. Als Guerrini nach Don Giovanni fragte, musterten die Frauen neugierig die beiden Fremden und wiesen auf die Sakristei.
«Da drin ist er. Seit einer Stunde schon.»
Guerrini bedankte sich, klopfte dann an die schwere Holztür.
«Das hört er nicht», sagte die dickere der beiden Putzfrauen. «Er hört nicht gut, der Pfarrer. Sie müssen schon richtig Krach machen.» Sie lachte, packte ihren Besenstiel und donnerte an die Tür. «So müssen Sie es machen!»
Als sich nach zwei Minuten noch immer nichts rührte, ließ sie erneut den hölzernen Besenstiel niedersausen. Dieses Mal hatte sie mehr Erfolg. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit, und das halbe Gesicht des Don Giovanni wurde sichtbar.
«Ich habe gesagt, dass ich nicht gestört werden will!» Seine Stimme klang zornig. «Was gibt es denn schon wieder? Was kann denn so schwer daran sein, ein Zimmer sauber zu machen?»
«Ma scusa, prete! Ci sono due stranieri! Zwei Fremde wollen Sie sprechen, Hochwürden!»
Der Pfarrer machte die Tür ein bisschen weiter auf, musterte Laura und Guerrini von oben bis unten. «Che cosa vuole? Was wollen Sie? Ich bereite mich gerade auf eine wichtige Messe vor. Wie kann ich Ihnen helfen?»
Offensichtlich hatte er sich im letzten Moment doch noch auf seine priesterliche Pflicht besonnen, für alle Ratsuchenden und Bittenden da zu sein. Don Giovanni war weder jung noch alt, sein Haar zwar etwas angegraut, doch sein Gesicht hatte etwas Jugendliches, faltenlos Rosiges.
Guerrini stellte Laura vor, erklärte wortreich, dass die deutsche Commissaria beweisen wolle, dass Valeria Cabun nicht Selbstmord begangen habe, was ja im Sinne der katholischen Kirche eine Todsünde sei. Sie habe ein paar Fragen, nur wenige … Ob es denn möglich sei, dass er ein paar Minuten seiner kostbaren Zeit … Er, der Priester, der seine Schäfchen doch besonders gut kenne …?
Laura bewunderte Angelo für seine sehr italienische Fähigkeit, einen anderen zu überzeugen. Sie beobachtete die Veränderung, die in Don Giovanni vor sich ging – dieses leichte Aufatmen, die Befriedigung darüber, dass er wichtig war, dass seine fragwürdige Entscheidung, Valeria zu segnen, ihm vielleicht doch keine Schwierigkeiten einbringen würde. Und plötzlich lächelte der Priester, bat die beiden unerwarteten Gäste in seine Sakristei, entschuldigte sich beinahe für die karge Möblierung, murmelte: «Jesus hat uns zur Bescheidenheit gemahnt!»
Er fand zwei Stühle, setzte sich selbst auf einen dritten, reich geschnitzten vor einem schmalen Schreibtisch, blickte kurz zu der Marienstatue hinauf, die in einer Mauernische stand, und faltete die Hände. «Ich werde Ihnen sicher keine große Hilfe sein», murmelte er.
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