Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
nicht einladen.»
«Ich kann mir nicht vorstellen, dass die alte Frau diesen Trubel mitmacht. Vermutlich hat sie sich längst zurückgezogen.»
«Laura!» Guerrinis Stimme klang ungeduldig. «Wie würdest du reagieren, wenn deine Enkelin beerdigt wird und gleichzeitig eine ausländische Polizistin auftaucht, die unbedingt mit dir über ein Familiengeheimnis reden will?»
«Schau mich nicht an wie ein gestrenger Vater, Commissario! Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde. Abgesehen davon, haben wir leider kein Familiengeheimnis. Aber mir wäre es gewiss wichtig, herauszufinden, wer meine Enkelin umgebracht hat!»
Guerrini zuckte die Achseln. «Na gut, versuch dein Glück. Ich würde es nicht tun, sondern mindestens noch einen Tag warten.»
«Ich will sie ja nicht bedrängen, sondern einfach höflich anklopfen. Wenn ich sehe, dass sie nicht bereit ist, dann gehe ich wieder. Hältst du mich für rücksichtslos?»
«Nein.» Guerrini schüttelte den Kopf, stieß mit der Schuhspitze gegen einen kleinen Ball, den die spielenden Kinder vergessen hatten. «Ich bin nur egoistisch und würde gern einen Tag mit dir verbringen, ohne an unseren verdammten Beruf zu denken.»
«Ich auch, Angelo! Aber wir sind nicht im Urlaub. Das ist eine Dienstreise …»
Er sah auf, lächelte ein bisschen schief.
«Ich weiß!»
Als in diesem Augenblick Lauras Handy zu klingeln begann, lachte er auf. «Ich kapituliere! Das ist wahrscheinlich Commissario Baumann, der über 700 Kilometer gespürt hat, dass ich dich gerade küssen wollte.»
Es war nicht Baumann, sondern Lauras Vater. «Deine Kinder waren heute bei mir. Sie sind ziemlich böse auf dich, Laura!»
«Dazu haben sie keinen Grund, Papa. Sie waren es, die gegangen sind, und jetzt können sie eben noch ein paar Tage länger bei ihrem Vater bleiben.»
«Wollen sie aber nicht, deshalb haben sie mich ja heute besucht. Luca hat gesagt, dass ein Film mit Benigni in der Stadt läuft. Er wäre gern mit dir und dem Commissario hingegangen.»
«Oh», sagte Laura.
«Ja, oh! Ich wusste ja, dass meine Enkel ziemlich intelligent sind. Ich fand ihn übrigens ganz passabel, deinen Papagallo. Könnte mir vorstellen, dass selbst deine Mutter nichts gegen ihn gehabt hätte … abgesehen davon natürlich, dass er Italiener ist.» Der alte Gottberg brach in krächzendes Lachen aus, hustete.
«Bist du erkältet? Geht’s dir gut?»
«Nur ein winziger Schnupfen. Mach dir keine Sorgen!»
«Mach ich mir nur dann nicht, wenn du versprichst, auf dich aufzupassen!»
«Ich verspreche! Wann kommst du denn wieder?»
«Wahrscheinlich übermorgen.»
«Schön! Bring deinen Commissario wieder mit. Ich habe das Gespräch mit ihm genossen.»
«Vielleicht.»
«Warum vielleicht? Ihr solltet das Leben genießen, solange ihr noch halbwegs knackig seid! Man wird verdammt schnell alt, Laura!»
«Jaja, Papa!»
«Nix jaja! Ich weiß, wovon ich rede!»
«Ich habe verstanden, du hast Recht wie immer. Bitte sag Luca und Sofia, dass ich sie anrufe und dass ich sie liebe! Wirst du das für mich tun?»
«Jaja.»
«Jetzt jajast du!»
«Streite nicht mit mir, Kind!»
«Ciao, Papa!»
«Ah, jetzt willst du wieder auflegen! Immer, wenn es ernst wird!»
«Nein, aber es wird zu teuer!»
«Saluti!», flüsterte Guerrini dazwischen.
«Grüße von Angelo!»
«Grüß ihn zurück und sag ihm, dass er sich von dir nichts gefallen lassen soll. Ciao!» Der alte Gottberg lachte und legte auf.
Laura dachte, dass die alte Frau sich vielleicht ein wenig hingelegt hatte nach all den Aufregungen, deshalb wartete sie bis vier Uhr nachmittags, ehe sie bei ihr anklopfte. Guerrini hatte sie auf den Klippen über dem Hafen zurückgelassen, wohlig ausgestreckt in der Sonne und ein bisschen schadenfroh. «Geh du nur zu deiner Hexe», hatte er gesagt. «Ich meditiere inzwischen über das Meer.»
Es waren nur ein paar Schritte von den Klippen zum Haus der Cabuns. Guerrini und Laura hatten vorsichtig den Weg erkundet, wollten keinem Mitglied der Familie begegnen. Zum Glück besaß Maria Valeria ihre eigene Eingangstür, sonst hätte Laura ihr Vorhaben fallen lassen. Es gab eine Klingel und einen Türklopfer. Laura entschied sich zu klopfen, doch es rührte sich nichts. Sie musste sich überwinden, um auf den Klingelknopf zu drücken, der schrille Ton war ihr unangenehm, schmerzte beinahe.
Noch immer blieb die Tür geschlossen. Laura ließ den Blick über die enge Gasse und über die Fenster der umliegenden Häuser gleiten.
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